Freitag, 27. Juli 2012

Angriff der Bauchplatscher

Noch etwas müde von der kurzen Nacht lag mein Kinn auf den auf dem breiten Fensterbrett verschränkten Unterarmen, die von der darunter liegenden Heizung behaglich angewärmt wurden, sodass ich gemütlich aus dem Fenster gucken konnte. Mit leisem monotonem Brummen und ohne spürbare Bewegungen glitt das Hurtigbåt an diesem Samstagmorgen mit immerhin knapp 60km/h durch die Sunde und Fjorde der Provinz Troms, von Harstad auf den Vesterålen ins in einem Anflug von Größenwahn selbsternannte "Paris des Nordens", die gemütliche und wundervoll auf einer länglichen Insel gelegene Universitätsstadt Tromsø. "Hurtigbåt" werden hier Schnellkatamarane genannt, die praktisch in ganz Norwegen örtliche und regionale Linien vor der Küste bedienen und dabei ein viel schnelleres und komfortableres Verkehrsmittel darstellen als Busse und Autos, die sich über die endlosen kurvigen Straßen langsam zu ihrem Ziel vorarbeiten müssen. Die schon hoch stehende Morgensonne glitzerte im spiegelglatten Wasser, während das noch nicht aus dem Schlaf erwachte Ufer mit einzeln verstreuten roten Holzhäuschen und dahinter liegenden schneebedeckten Bergen meditativ vorbeiglitt. In meinem Kopf lief Griegs Morgenstimmung. Die Aussicht war zu schön als dass ich mich in dem fast leeren Boot auf meiner Dreierreihe Flugzeugsitze noch mal schlafen legen wollte! Lange hielt dieser Vorsatz aber nicht an und überrascht wachte ich kurz vor Tromsø wieder auf. Auf den Bildschirmen im Boot liefen neben Sicherheitshinweisen, Wetter und Werbung auch der Status der in Tromsø ankommenden und abgehenden Flüge. Die beiden würden pünktlich landen!


Inken und Charlotte alias Toni, ihretwegen war ich nach Tromsø gefahren, sollten mehr Glück mit dem Wetter haben als Kerstin in der Woche zuvor. Es war Anfang Juni und ohne eine Wolke am Himmel schien die Sonne 24h am Tag. Mit knapp über 10°C war es zwar nicht übermäßig warm, aber in der Sonne reichte ein T-Shirt, als wir einen Spaziergang in Richtung Tromsøs Hausberg Storsteinen machten. Abends froren wir allerdings wieder ganz schön, als wir gegen Mitternacht am Kai saßen und auf den von der Mitternachtssonne in einem warmen Orange angeleuchteten schneebedeckten Tromsdalstinden guckten, während wir auf die Ankunft unseres Schiffes warteten. Ein paar Deutsche Stimmen waren schon zu hören und verrieten: Das nächste Hurtigrutenschiff kann nicht weit sein! Und tatsächlich, gegen 00:15 Uhr schob sich mit einem tiefen sonoren Ton aus dem Horn die MS Richard With unter der hohen Straßenbrücke, die Tromsø mit dem Festland verbindet, hindurch. Der Schiffsname bescherte uns ein wenig Spaß, so wurde das auf meiner Bordkarte stehende
MS Richard With
Torsten Henze
von den beiden just als englische Phrase "Miss Richard with Torsten Henze" gelesen. Tatsächlich war Englisch jedoch nicht die Verkehrssprache Nummer 1 an Bord: Geschätzte 60% der Fahrgäste waren Deutsche, etwa 30% Norweger und weitere 30% Englisch- und anderssprachig. Und das merkte man auch. Nicht selten hörte man "Wolfgang, winke mal!", wenn ein Foto gemacht werden sollte oder "Diese Stufe hier, also nein! Was da alles passieren kann. Wer jetzt nicht mehr so gut zu Fuß ist wie wir..." Gut zu Fuß waren allerdings die wenigsten, denn das Durchschnittsalter an Bord dürfte nicht deutlich unter 70 gelegen haben. Nicht nötig zu erwähnen, dass diejenigen 70-Jährigen, die noch sehr gut zu Fuß sind, in der Regel nicht freiwillig diese 11-tägige Schiffsreise machten. Das Deutsche an Bord war nicht zu übersehen: Ältere Damen mit herabhängenden Mundwinkeln, die sich extra für diese Reise eine Jack Wolfskin-Jacke gekauft hatten, wurden missmutig von ihren Ehemännern an Deck geschleift, wo sie gekonnt leidend den quälend kalten Fahrtwind ertragen mussten, während ihre selbstherrlichen Männer ihnen übereifrig frei erfundenes Wissen über Navigation und Schiffstechnik zu erklären versuchten. Liegestühle, die mit Decken reserviert wurde inklusive Blitzkriegen, wenn diese Geste von anderen Nationalitäten an Bord nicht erkannt wurde. "Also diese Engländer, wirklich kein Benehmen! Und nicht mal richtig Deutsch können die. Hans, hast du überhaupt gesehen, wie diese Frau angezogen war? Hans?"



Nichtsdestotrotz, eine Fahrt mit der Hurtigrute ist einfach schön! Entgegen des Namens ist es die Wiederentdeckung der Langsamkeit und unheimlich entspannend inmitten der Hektik von Alltag oder Urlaub. Man verpasst nichts, wenn man mal eine Viertelstunde lang döst, auf dem Topf sitzt oder sich auf Plakaten die Fische des Eismeers auf Norwegisch, Englisch, Deutsch und Latein ansieht. 11 Tage lang, so lange dauert die Fahrt von Bergen am Nordkapp vorbei nach Kirkenes kurz vor der russischen Grenze und zurück, könnte ich das trotzdem nicht aushalten. Nicht ohne Thromboseprophylaxe. Nun, es gibt ein Fitnessstudio und bei den Landgängen könnte man auch immer mal eine Stunde joggen oder zu Fuß gehen. Oder kann sich kurz mit 550 anderen Fahrgästen das Polarmuseum oder den Nidarosdom ansehen und ehe man sich versieht, ist man schon wieder auf dem Wasser. Man sieht zwar viel, kommt aber nirgendwo wirklich an. Man ist nicht in Norwegen, man fährt dran vorbei und wird nie den Geruch des Blaubärkrauts, die Stille und Einsamkeit im Fjell in sich aufnehmen, untermalt vom Rauschen von Wasserfällen und dem Blöken der Schafe. Das ist Norwegen!
Doch neben dem touristischen Aspekt ist die Hurtigrute auch immer noch ein Transportmittel. Nach wie vor wird Fracht für Nordnorwegen mit der Hurtigrute befördert, Autos und natürlich auch Menschen, die von A nach B wollen wie wir. Und es nicht zu vergessen, dass sie zumindest für Studenten wie Desiree, Inken und mich der billigste Weg von Tromsø auf die Lofoten ist, abgesehen von einer 11-stündigen Überlandbusfahrt, denn man kann die Fahrt ohne Kajüte buchen und zahlt dann in unserem Fall nur 48€ für die 20-stündige Fahrt. Und wenn die älteren Mitreisenden bis auf 1-2 Leseratten abends in ihren Kajüten verschwinden, kann man es sich mit seinem Schlafsack auf den gepolsterten Bänken der Salons bequem machen. Das ferne Brummen der Motoren ist fast nicht zu hören und die Teppichböden und gepolsterte Einrichtung schlucken sämtlichen Stall. Wir schliefen wie im Mutterleib! Kurz hinter Harstad wachten wir auf, duschten, frühstückten, lasen und genossen die Aussicht an Deck. Ein Grund dafür, dass wir die Hurtigrute genommen hatten, war auch die Fahrt durch den engen Trollfjord auf den Westlofoten. Doch davor hatten wir 1 Stunde Aufenthalt in Stokmarknes, wo wir gratis einen Blick auf viele Fotos und Ausstellungsstücke im Hurtigrutenmuseum werfen durften, welche laut Schild nur die Vorboten für diesen Trip waren:


Die Fahrt durch den Trollfjord ist mit zwei Unannehmlichkeiten behaftet: zum einen wird es an Deck selbst mit Windjacke und Mütze irgendwann fies kalt, zum anderen gehen ALLE der 550 Mitreisenden für die spektakuläre Durchfahrt an Deck und verklumpen dort. Also ließen wir den Deckel des Whirlpools entfernen! Das darf man nämlich nicht selbst, wohl aber darf man den Whirlpool duschen, sofern man davor selbst duscht:

Im Whirlpool war es so warm wie im Popo mit Fieber und die meisten Leute hielten einen sicheren Abstand zum Medium Wasser ein und versperrten somit die Aussicht nicht. Die meisten, denn eine ältere Dame hatte sich ihren Stuhl mit einer Handbreit Abstand zum bereits ohne Insassen fast randvoll gefüllten Boblebad, wie es der Norweger nennt, gestellt und wartete auf das, was ihr gebührte. Chantalle und Inken waren schon im Wasser und ich war auf der obersten Stufe und schnell unterwegs mit kindlicher Vorfreude auf das blubbernde Bad! Etwas zu schnell wohl, denn mein Körperschwerpunkt überholte den Fuß, dieser rutschte weg und der gesamte Torsten fiel bäuchlings und unter Erzeugung eines Modell-Tsunamis in den Pool. Laut Augenzeugenberichten zumindest, denn ich selbst war ja unter Wasser und bekam von dem ganzen Spaß nichts mit. Überhaupt schöpfte ich den Verdacht, dass irgendetwas schief gelaufen war erst, als ich auftauchte, in die ernsten Gesichter von Toni und Inken blickte und im Hintergrund das laute Gezeter der offenbar thüringischen alten Dame losging. "Ich betrachte das als Rücksichtslosigkeit!", wetterte sie. Natürlich war mir das unheimlich peinlich und unangenehm und ich entschuldigte mich vielmals. Zugegeben, die Tatsache, dass ich kurz vor meinem Ausrutscher noch enthusiastisch "Köpper!" gerufen hatte, stärkte nicht unbedingt die Glaubwürdigkeit meiner Entschuldigung. Und genau so schien es die Dame auch zu sehen, ich sei ein wirklich böser Jugendlicher, sagte sie und sie würde eine Bechwerde einreichen (bei wem eigentlich?). Ich stand auf, um über den Rand des Pools überhaupt erstmal die Ausdehnung meines Werks bestaunen zu können. Es war wirklich alles voll! Zumindest die Hose war voll, oh nee! Und in ihrem Alter konnte ich nicht mal argumentieren, dass sie ja noch wachsen müsse und gießen deshalb wichtig sei. Stattdessen bot ich ihr mein Handtuch an, doch selbst das sah sie in ihrer Verbittertheit als Frechheit an. So zog sie von dannen, zeigte unterwegs noch 2 anderen Leuten unter Schimpfen und Fluchen ihre volle Hose und holte sich eine andere. Und schon kam der Trollfjord! 






Und was Charlotte, Inken und ich in unser restlichen gemeinsamen Zeit auf den Lofoten so alles gesehen haben, seht ihr hier, Bilder sagen mehr als tausend Worte...

Blick von meinem Wohnort Gravdal auf das Himmeltind-Massiv

von Å Richtung Mosken und Værøy



Nordkappradtour-Revival-Foto mit anderer Besetzung...

Spaziergang von Unstad nach Eggum, schönster Sommertag des ganzen Jahres bis jetzt!

Die Tierärztin immer im Dienst zum Schafe umdrehen.

Nachts auf dem Offersøykammen

"Die Wand" auf der Strecke Richtung Nusfjord

Nusfjord
auf dem Reinebringen auf Moskenesøy

Fußweg nach Kvalvika

Zelten in Kvalvika, der "Walbucht"

Die abgelegene Bucht Kvalvika von oben. Wie in der Südsee!
Mitternachtssonne, weiter sinkt sie nicht

auf dem kleinen, aber feinen Berg Hov auf Gimsøya

Mitternacht auf Værøy

Samstag, 30. Juni 2012

Alles kalt macht der Mai

Lange ist's her, dass ich das letzte Mal etwas geschrieben habe! Und das, obwohl ich hier so viel erlebt habe. Oder gerade, weil ich hier so viel erlebt habe? Hier ein Bericht über die letzten Tage im Mai.

"Das ist der kälteste Mai, den ich hier je erlebt habe", sagte der nette alte Besitzer des Campingplatzes auf Røst, der abgelegensten bewohnten Insel der Lofoten, "und ich wohne seit 33 Jahren hier". In Tromsø ein Stückchen nördlich von hier waren in diesen Tagen 8cm Neuschnee gefallen. Wir waren zwar nördlich des Polarkreises, aber der eiskalte Starkwind, der meiner Besucherin Kerstin und mir mehrmals täglich Regen- und Schneeschauer gefühlsmäßig durch Haut und Unterhautfettgewebe hindurch direkt auf die Knochen peitschte, war wohl selbst hier oben jenseits des Normalen. Außerdem gab es noch eine weitere Art Niederschlag, dessen Namen ich nicht kannte, der aber im Gesicht piekte und bei dem mir als werbungsverseuchtem Menschen sofort die Assoziation  "Megaperls" kam. Das Zeug machte meine königsblaue Fleecejacke auch wirklich innerhalb von Minuten weiß. "Und ihr wollt wirklich zelten?" Für  ausnahmsweise nur 100€ würde er uns eine Campinghütte anbieten. "Wir  wollen die Hütte doch nicht kaufen!", dachte ich. Und der Zeitraum wäre ohnehin nicht lang, schließlich war es schon 23:30 Uhr und um halb sieben würden wir wieder aufstehen müssen, um unser Propellerflugzeug nach Leknes zu kriegen. Nur ein Blick auf die Uhr verriet, dass es schon so spät war. Im Gegensatz zu den anderen Inseln der Lofoten ist Røst eine Ansammlung von  Schären und flach wie ein Eierkuchen, keine Berge, die die Sonne verdeckten. Und so schien sie, wenn keine Wolken im Weg waren, rund um die Uhr. Die Nacht davor hatten wir auf Røsts Nachbarinsel Værøy wild gezeltet, in einem abgelegenen Teil der Insel, wo es bis auf Kräuter, Berge und Meer nicht viel gab. Zu hören waren nur ein paar Möwen und das Sausen des Windes, der unentwegt an den Leinen meines Hubba Hubba riss. So heißt mein Zelt, im Gegensatz zur Einmannversion, die nur "Hubba" heißt. Aber laut Testbericht hätte das Zelt in Florida 80km/h schnellen Gewitterstürmen mit Regen standgehalten, auch wenn sich das Gestänge dabei bis fast auf den Boden  durchgebogen habe. Das verlieh uns genug Optimismus, um das Zelt alleine zurückzulassen und uns dem höchsten "Berg" der Insel zu widmen, der zwar bequem zu erwandern und nicht mal 500m hoch war, auf der Nordseite aber als Steilwand bis zum offenen Atlantik abfiel, was die Aussicht famos machte! Allerdings bekamen wir dort oben auch zu spüren, wie sich der Wind ohne den Windschatten des Berges anfühlte und die donnernden Wellen unter uns sprachen auch ihren Teil. Das hatten wir zu unserem Leidwesen auch schon auf den Fährfahrten von der Hauptlofotenkette nach Værøy und später von Værøy nach Røst erleben dürfen. Teilweise fiel der Bug der sehr großen Fähre von einer Welle angehoben so tief ins Wellental hinab, dass er in die nächste Welle eintauchte und das schäumende Wasser und die Gicht (wie der Mediziner sagt) bis an die Fenster des sicherlich knapp 10m oberhalb der Wasseroberfläche gelegenen Salons schaufelte. Ein tolles Schauspiel! Fand mein Magen nur leider nicht. Und die Mägen der meisten anderen auch nicht. Es war schon beim unserem Zusteigen in Moskenes verdächtig gewesen, dass fast alle der die knapp 4h Überfahrt vom Festland schon hinter sich habenden Reisenden auf halb acht auf den Bänken hingen und es Totenstille herrschte. Bis auf einen hinter uns sitzenden verhaltensauffälligen Südländer, der die gesamte Fahrt über stereotyp eine bestimmte kurze Wortfolge agitiert flüsternd wiederholte. Betete er etwa?

Norwegisch-Lektion des Tages:
"magen" = der Bauch
"magesekk" ("Magensack") = der eigentliche Magen
"kvalm" = übel
"kaste opp" (wörtlich: "aufwerfen") = sich übergeben
Achtung, Falle: "brekke seg" (wörtlich "sich brechen") heißt nur "würgen"
"reisesykepose" ("Reisekrankheitstüte") = Übergabebeutel
"det blåser" ("es bläst") = es ist windig
"det kommer luft" ("es kommt Luft") ist hingegen nur im gastroenterologischen, nicht aber im meteorologischen Sinne zu gebrauchen

Auf Værøy. Windstärke 7. Hubba Hubba steht.

Aussicht vom höchsten Berg Værøys

Schauer fegen über die Insel.

Zwischen den beiden benachtbarten Inseln Værøy und Røst herrschte eine Rivalität, wie uns der "Campingplatz-Opi", wie wir ihn liebevoll nannten  erzählte, als er uns am nächsten Morgen netterweise mit seinem VW-Bus bis zum Røster Flugplatz fuhr. "Wenn die Möwen sich Værøy nähern, drehen sie sich im Flug auf den Rücken und fliegen verkehrtherum weiter, damit sie diese hässliche Insel nicht sehen müssen", erzählte er uns lachend. Uns gefielen trotzdem beide Inseln sehr gut, die flachen Fischerschären von Røst und die bergige Insel Værøy mit ihren Sandstränden und dem Katzenkopf-Felsen gleich neben dem Hafen, der von weitem allerdings mehr nach einem Bären aussah, der wie beim Banküberfall beide Tatzen über den Kopf hob. Außer Tieren aus Stein hat Værøy sogar eine eigene Hunderasse mit dem witzigen Namen "Lunde-Hunde". Diese haben früher Jagd auf die hier sogenannten Lundevögel (deutsch: "Papageientaucher") gemacht. Jetzt gibt es weniger Lundevögel, aber auch weniger Lundehunde, denn auf so einer abgelegenen Insel kann man sich schließlich nur mit Mitgliedern der eigenen Familie vermehren und das führt bekanntlich zu fiesen Erbkrankheiten, im Fall der Lundehunde zum Tourette-Syndrom. Und so fliegen die Lundevögel schon weg, sobald sie die näher kommenden Schimpfwörter hören und der arme fluchende Lundehund noch einen Kilometer entfernt ist.

45 Minuten vor dem Abflug waren wir die ersten am Flughafen, dessen Zufahrtsweg nicht einmal durchgehend asphaltiert war. "Kerstin und Torsten?", fragte die Dame am Schalter an der Seite des kleinen Abflugbereiches, der nicht viel größer als mein Zimmer im Schwesternwohnheim war. Sie druckte unsere Bordkarten aus, plauderte kurz über das Wetter und bat uns, noch ein bisschen zu warten oder einen Spaziergang zu machen, da der Mann von der Sicherheitskontrolle noch nicht da sei. In Røst landen werktags zwei Flugzeuge am Tag, eins morgens um kurz vor neun und eins abends um halb acht. Ich fragte mich, was die immerhin 3 Flughafenmitarbeiter wohl den ganzen restlichen Tag über taten? Besonders der, der mit den zwei Kellen das Flugzeug zu seiner Parkposition winkte, erschien irgendwie entbehrlich, schließlich gab es sowieso nur eine Parkposition und die war quer vor dem Gebäude. Vielleicht machten die das als Nebenjob oder ehrenamtlich? "Guten Tag, ich heiße Morten, bin Grundschullehrer und in den Sommerferien arbeite ich als Flugzeugeinwinker." Wer weiß, wie die Dinge auf einer so kleinen Insel funktionieren? Die Touristeninformation ist auch nur eine Stunde pro Tag geöffnet, immer nach Ankunft der Fähre.
Doch diese Frage konnte ich mir nicht mehr beantworten lassen, denn schon traf unsere kleine Dash-8-100 ein, einige Leute stiegen aus und zwei weitere Reisende und wir stiegen ein. Mit diesen kleinen Widerøe-Flugzeugen zu fliegen ist für Nord-Norweger nichts anderes als Stadtbus zu fahren. Analog dazu hatte das Flugzeug auch Zweierreihen rechts und links des Ganges und die letzter Reihe bestand aus einer 5er-Bank, Türen gab es nur vorne. 
Das dichte Netz aus Kurzbahnflugplätzen mit mehreren täglichen Flügen ermöglicht vor allem hier in Nordnorwegen vielen noch so abgelegenen Orten eine relativ zügige Anbindung an den Rest des Landes. Viele Orte wie Leknes und Røst, Røst und Bodø oder Svolvær und Narvik sind Luftlinie zwar nur um die 100km und damit 25 Flugminuten voneinander entfernt, der Geografie wegen entspricht das aber trotzdem oft 4-5h Auto- und/oder Fährfahrt. (Man stelle sich mal bei uns Flüge Tegel-Jüterbog oder Schönefeld-Neuruppin vor.) So gibt es hier in Leknes zur Zeit die für uns Deutsche sehr absurd klingende Situation, dass die Einwohner einen Ausbau des Flughafens fordern, die Politik sich aus Kostengründen aber dagegen sträubt.


Brandung am Flughafen Røst. Im Hintergrund Værøy.

Røst - flach wie eine Anorektikerin!

Der Warteraum des Flughafens: 4 Tische mit Stühlen, 1 Süßigkeitenautomat, 1 Klo.
Landeanflug auf Leknes. Da unten wohne ich!