Dienstag, 21. April 2009

Magen-Darm

Wegen unfeiner Ausdrücke und viel anderem Scheiß ist der nachfolgende Bericht nicht für Kinder geeignet. Wer keine unfeinen Ausdrücke und anderen Scheiß mag, sollte auch als Erwachsener auf das Lesen verzichten. Als Alternative verweise ich auf meine bisherigen zahllosen anständigen Artikel.

Die einen finden es zum Kotzen, die einen beschissen, die anderen beides: Gastroenterologie. In den vorigen Wochen durfte ich mich daran erfreuen, Unterricht in dem wahrscheinlich einzigen Fach zu erhalten, in dem die Ärzte Farbe, Form und Geruch des Stuhls (die Ankreuzmöglichkeiten auf dem Formular sind 'ekelhaft', 'stinkend' und 'aromatisch') mehr interessiert als der Blutdruck.

Das ganze beginnt morgens mit einer "røntgenmøte", das bedeutet, dass die Ärzte und Studenten morgens um 7.45 in ein dunkles Zimmer gesperrt werden, in denen es Røntgen- und CT-Bilder und auch Defäkogramme zu sehen gibt. Was das letztere ist? Tja, wenn der Stuhl kommt nicht einfach rauskommt, wie er soll, sondern ein Teil immer irgendwo hängen bleibt, dann ist es sehr spannend, wo. Daher bekommt der Patient entgegen der Fahrtrichtung einen leckeren Bariumbrei zugeführt, dann darf er sich auf den Topf setzen, um den Brei wieder loszuwerden (=Defäkation) und wird dabei nicht nur von Doktoren und Schwestern, sondern auch von einer Röntgenröhre beobachtet. Und gefilmt. Und diesen Schwarz-Weiss-Film bekommen wir dann morgens bzw noch halb nachts in dieser dunklen Kammer als Endlosschleife vorgesetzt. Schläfrig und der schnellen und chaotischen Diskussion um den Patienten auf Norwegisch sowieso nicht folgen könnend, schafften meine Augen nicht, einen näheren Punkt zu fixieren und blickten müde geradeaus auf den sich unermüdlich wiederholenden Film. Noch alles drin - drücken - ah, da ist der Tumor - flatsch! Einen Sekundenbruchteil später war alles wieder drin und das ganze begann von neuem... Nach 78 Defäkationen und fast einschlafend fragte ich mich, warum ich eigentlich nichts Anständiges studierte, sondern hier morgens vor dem Aufstehen Leuten beim radioaktive Scheiße in eine Schüssel machen zusah. Später gingen wir auf Station über den Gang und auf uns kam ein uralter Mann entgegen, der alle auf dem Weg nach ihrem Namen fragte. "Wie heißt du?" -"Trond!", sagte der Oberarzt, "ich behandle Sie seit 3 Tagen!" "Gestern fragte er, warum er eigentlich hier sei", sagte die Schwester, nachdem auch Sie ihren Namen nennen musste. "Wie heißt du?", fragte der Greis forsch. "Ich heiße Torsten.", sagte ich. "Torsten, mmpf, grmbl... Weitermachen!", sagte er und ging vorbei. In dem Moment erreichte ich auch schon das rettende Untersuchungszimmer, in dem die mittelalte kleine rüstige Oberärztin, die kein Fäkalwort ausließ, wann immer sich die Benutzung anbot, unserer kleinen Gruppe eine Patientin vorstellte und uns mit ihr als Beispiel unterrichtete. Was an weiteren Untersuchungen bei ihr demnächst angebracht wäre, fragte die Ärztin in die Runde. Viele gute Vorschläge hatten wir, noch mal Blut abnehmen, CT, Ultraschall... Das richtige war noch nicht dabei, und nach Hirnbiopsie, Spinalpunktion, transösophagealer Echokardiographie und Vivisektion sagt endlich jemand "Koloskopie." "JA!", rief die Ärztin begeistert. "NEIN!", rief die Patientin entsetzt, sie habe schließlich gehört, dass das schmerzhaft wäre. "Naja, weißt du, viele Dinge, die wir hier in der Medizin machen, sind nicht sehr angenehm", sagte die Ärztin und "Ein Fest wird es sicher nicht werden." Beruhigende Worte.

Am nächsten Morgen ging es mal wieder in die Operationsstube. Beim Patienten sollte zuerst eine Darmspiegelung durchgeführt, dann ein künstlicher Darmausgang angelegt werden. Nachdem der Patient betäubt war und ich einen Blasenkatheter legen durfte (hurra!), kam der griesgrämige Operateur in die Stube und steckte beim Vorbeigehen dem Patienten erstmal einen Finger in den Hintern, bevor er das freundliche "Guten Morgen" der Schwestern erwiderte. "Grrrn, AVFØRING", knurrte er wie ein Klingone mit starkem Kater (zu deutsch etwa "grrrn, STUHL"). Danach wurde der Dickdarm mit Luft aufgepustet wie ein Luftballon und die kurze Operation begann. Als der Chirurg den Darm anschnitt, entwich die Luft mit einem scheinbar endlosen Furzen. Die Schwesternschülerin und ich waren von der Vorstellung begeistert, die älteren Schwestern lachten ein wenig und die Anästhesistin fragte den Chirurgen, was er zum Frühstück gegessen hatte.

Ich werde jedenfalls kein Gastroenterologe, wenn ich groß bin.


Jetzt fehlen diesem Eintrag aber noch Bilder, nicht wahr? Da ich euch zuliebe auf gastroenterologische Fotos verzichten wollte, kommt hier eins, das ich vor einigen Wochen beim Skifahren in Oppdal aufgenommen habe. Manchmal ist Norwegisch genauso wie Berlinisch, siehe rote Schrift.