Freitag, 29. Mai 2009

Letzter Monat in Trondheim

Lange hielt sich der Schnee in den Wäldern vor der Stadt. In der Woche nach Ostern war auf der Internetseite des Trondheimer Skivereins zu lesen, dass in jener Woche zum letzten Mal die Loipen gespurt würden mit dem Hinweis, dass auf vielen Strecken das Fahren trotzdem weiterhin möglich sei. Der Schnee war zwar sehr nass, aber noch meterhoch. Bei einer Wanderung durch den Stadtwald an den Osterfeiertagen (die bulligen 17°C und die völlige Schneefreiheit unten in der Stadt verleiteten mich dazu, meine Skier zu Hause zu lassen) versackte ich nicht selten mit einem Bein bis zum Anschlag im Schnee und musste unfreiwillig viele unschöne Wörter ausrufen. Tatsächlich konnte ich von meinem Küchenfenster aus noch bis weit in den Mai hinein Schnee auf dem 565m Stadt"berg" Gråkallen sehen.

Ende April kam Andrea aus Tromsø zu Besuch, die lange nicht mehr in einer Großstadt gewesen war, mit Altbauten aus Stein in der Innenstadt und vielen Buslinien. Wir fuhren mit dem Hurtigbåt über den Fjord, um auf der anderen Seite Skandinaviens längsten Klettersteig zu gehen, der einen ganzen Kilometer lang ist. Immerhin geht er auf der Strecke 500m nach oben. Allerdings durchkreuzte ein Schwede unsere Pläne. "Kein Wunder", würden ein anständiger Norweger jetzt antworten, im Zweifelsfall bietet es sich immer gut an, die Schuld für alle möglichen Dinge auf die Schweden zu schieben. Dass die Schweden selbstgebrauten Schnaps mit Methanol in den Grenzgebieten billig an Norweger verkaufen würden und viele unschuldige Norweger deshalb erblindeten, habe ich einmal gehört. Mit "Schweden haben Respekt vor nichts." beendete mein Sprachkurslehrer seine Erzählung, dass die Schweden damals den berühmten Nidarosdom in Trondheim als Pferdestall benutzten, wenn sie Norwegen eroberten. Man muss dazu sagen, dass das Erobern von Norwegen früher eine Art Volkssport in Schweden war und sie das abwechselnd mit den Dänen immer mal wieder taten. Kein Wunder, dass das heutige Norwegisch fast wie Dänisch geschrieben und ähnlich wie Schwedisch gesprochen wird. Ich persönlich fände es in einer Kirche ja durchaus viel gemütlicher mit etwas Stroh auf dem Boden und ein paar Pferden, die sich schnarchend neben dem Altar fläzen oder nach einem langen Arbeitstag ihren Durst am Taufbecken stillen.
In unserem Fall war es jedoch ein leibhaftiger Schwede, der uns mitteilte, dass wir den Weg umsonst zurückgelegt hatten, da gerade an jenem Samstag die jährliche Wartung stattfand und sie ein paar Meter weiter oben gerade damit beschäftigt seien, ein paar Sicherungsdrähte abzuziehen. Hoch zur Hütte wanderten wir trotzdem und übernachteten dort. Es war sehr gemütlich und ich hatte es nach zwei Versuchen, bei denen ich kapitulieren musste, endlich geschafft, einmal in der Fosenkoia zu übernachten!



Kurz bevor das Semester in Trondheim endete, machten wir Austauschstudenten noch ein paar peinliche Erinnerungsfotos in "unserem" Krankenhaus, dem St. Olavs Hospital.



Luise, Stephie "Schwester Stefanie" und ich



ich musste es trotz Verbots einfach mal probieren: Surfen auf dem Roboter


und ich kam doch zum Rettungswagen fahren in Trondheim


Teilweise hatten wir enorm heißes Sommerwetter und ich war mit Stefan dann doch noch auf dem Klettersteig und mit den leider erst so spät kennengelernten netten Leuten Maria und Sören auf einer Fahrradtour durch Fosen, der bewaldeten Halbinsel nördlich vom Trondheimsfjord. Gut, an letzterem Tag war das Wetter wirklich nicht heiß, aber trotzdem toll.









Und am Sonntag, 17. Mai war es dann so weit: Nasjonaldagen! Der norwegische Nationalfeiertag. Um 7.40 Uhr nachts wurde ich unfreiwillig an dieses Ereignis erinnert, als ich von einer Trommel- und Blaskapelle aus dem Schlaf gerissen wurde, die den Weg hinter meinem Haus hinuntermarschierte. Das Funktionsprinzip der Feier ist relativ einfach, aber effektiv. Die gesamte Population kleidet sich entweder in traditionelle Tracht oder schicke Kleidung. Und dann aber richtig schicke Kleidung, die Männer allesamt mit schwarzen Anzügen mit glänzenden Seidenstreifen (ist das Seide? oder Samt? Wahrscheinlich letzteres, weil weiter vorne im Satz schon was mit "Samt" steht), außerdem tragen alle Norwegenflaggen, entweder als Flagge selbst oder als Stoffband, das am Anzug befestigt wird. Dann werden zwei Gruppen gebildet, die eine bildet einen gigantischen Umzug durch die Innenstadt und ruft "Hipp-hipp-hurra!", singt und freut sich, die andere steht an den Straßenrändern und schaut sich den Umzug an, ruft "Hipp-hipp-hurra!", singt und freut sich. Der Umzug ist nach sozialen Gruppen sortiert und im Prinzip kann jeder, der zu einer gehört, mitlaufen. Oder selbst eine Gruppe eröffnen. Alle möglichen waren dabei, von sämtlichen Grundschulen der Stadt über den Byåsen Skiklub, die Tauchschule, die Sexualaufklärungsgruppe der Medizinstudenten und den Kung-Fu-Verein bis hin zu den französischen Studenten in Trondheim (ganze 6 Stück, einer hatte sogar eine Baskenmütze auf und ein Stangenweißbrot in der Hand), dem christlichen Verein junger Männer und vielen Chören und Kapellen. Alle essen Eis und Würstchen, in der norwegischen Tagesschau war abends ein kleines Mädchen zu sehen, dass stolz erzählte, anlässlich dieses 17. Mais 17 Kugeln Eis gegessen zu haben. Obwohl die Stadt so voll war wie noch nie, schaffen die Norweger es, das "Gedränge" völlig entspannt zu halten. Jeder Bürgersteig war noch gut passierbar, egal, wo man stand, wurde einem ein kleiner Freiraum zum Atmen gewährt. Kein einziges Mal wurde ich angerempelt und nie standen die Leute so hirnlos im Weg, dass ich mich gezwungen sah, mir selbst den Weg unter Gewaltanwendung freizubahnen. Es war ein wirklich schönes Erlebnis! Bei dem ich allerdings auch merkte, dass Norweger tatsächlich groß sind. Von hinten konnte ich selten die Zuschauergruppe überblicken und den Umzug sehen, ein Baum am Straßenrand half mir aber bereitwillig.


der Umzug auf dem "Torvet", dem zentralen Platz


meine Lieblingsblaskapelle "Flatåsen Tut&Blæs"


in der Munkegata


viele Flaggen


eine Tanzgruppe