Freitag, 29. Mai 2009

Letzter Monat in Trondheim

Lange hielt sich der Schnee in den Wäldern vor der Stadt. In der Woche nach Ostern war auf der Internetseite des Trondheimer Skivereins zu lesen, dass in jener Woche zum letzten Mal die Loipen gespurt würden mit dem Hinweis, dass auf vielen Strecken das Fahren trotzdem weiterhin möglich sei. Der Schnee war zwar sehr nass, aber noch meterhoch. Bei einer Wanderung durch den Stadtwald an den Osterfeiertagen (die bulligen 17°C und die völlige Schneefreiheit unten in der Stadt verleiteten mich dazu, meine Skier zu Hause zu lassen) versackte ich nicht selten mit einem Bein bis zum Anschlag im Schnee und musste unfreiwillig viele unschöne Wörter ausrufen. Tatsächlich konnte ich von meinem Küchenfenster aus noch bis weit in den Mai hinein Schnee auf dem 565m Stadt"berg" Gråkallen sehen.

Ende April kam Andrea aus Tromsø zu Besuch, die lange nicht mehr in einer Großstadt gewesen war, mit Altbauten aus Stein in der Innenstadt und vielen Buslinien. Wir fuhren mit dem Hurtigbåt über den Fjord, um auf der anderen Seite Skandinaviens längsten Klettersteig zu gehen, der einen ganzen Kilometer lang ist. Immerhin geht er auf der Strecke 500m nach oben. Allerdings durchkreuzte ein Schwede unsere Pläne. "Kein Wunder", würden ein anständiger Norweger jetzt antworten, im Zweifelsfall bietet es sich immer gut an, die Schuld für alle möglichen Dinge auf die Schweden zu schieben. Dass die Schweden selbstgebrauten Schnaps mit Methanol in den Grenzgebieten billig an Norweger verkaufen würden und viele unschuldige Norweger deshalb erblindeten, habe ich einmal gehört. Mit "Schweden haben Respekt vor nichts." beendete mein Sprachkurslehrer seine Erzählung, dass die Schweden damals den berühmten Nidarosdom in Trondheim als Pferdestall benutzten, wenn sie Norwegen eroberten. Man muss dazu sagen, dass das Erobern von Norwegen früher eine Art Volkssport in Schweden war und sie das abwechselnd mit den Dänen immer mal wieder taten. Kein Wunder, dass das heutige Norwegisch fast wie Dänisch geschrieben und ähnlich wie Schwedisch gesprochen wird. Ich persönlich fände es in einer Kirche ja durchaus viel gemütlicher mit etwas Stroh auf dem Boden und ein paar Pferden, die sich schnarchend neben dem Altar fläzen oder nach einem langen Arbeitstag ihren Durst am Taufbecken stillen.
In unserem Fall war es jedoch ein leibhaftiger Schwede, der uns mitteilte, dass wir den Weg umsonst zurückgelegt hatten, da gerade an jenem Samstag die jährliche Wartung stattfand und sie ein paar Meter weiter oben gerade damit beschäftigt seien, ein paar Sicherungsdrähte abzuziehen. Hoch zur Hütte wanderten wir trotzdem und übernachteten dort. Es war sehr gemütlich und ich hatte es nach zwei Versuchen, bei denen ich kapitulieren musste, endlich geschafft, einmal in der Fosenkoia zu übernachten!



Kurz bevor das Semester in Trondheim endete, machten wir Austauschstudenten noch ein paar peinliche Erinnerungsfotos in "unserem" Krankenhaus, dem St. Olavs Hospital.



Luise, Stephie "Schwester Stefanie" und ich



ich musste es trotz Verbots einfach mal probieren: Surfen auf dem Roboter


und ich kam doch zum Rettungswagen fahren in Trondheim


Teilweise hatten wir enorm heißes Sommerwetter und ich war mit Stefan dann doch noch auf dem Klettersteig und mit den leider erst so spät kennengelernten netten Leuten Maria und Sören auf einer Fahrradtour durch Fosen, der bewaldeten Halbinsel nördlich vom Trondheimsfjord. Gut, an letzterem Tag war das Wetter wirklich nicht heiß, aber trotzdem toll.









Und am Sonntag, 17. Mai war es dann so weit: Nasjonaldagen! Der norwegische Nationalfeiertag. Um 7.40 Uhr nachts wurde ich unfreiwillig an dieses Ereignis erinnert, als ich von einer Trommel- und Blaskapelle aus dem Schlaf gerissen wurde, die den Weg hinter meinem Haus hinuntermarschierte. Das Funktionsprinzip der Feier ist relativ einfach, aber effektiv. Die gesamte Population kleidet sich entweder in traditionelle Tracht oder schicke Kleidung. Und dann aber richtig schicke Kleidung, die Männer allesamt mit schwarzen Anzügen mit glänzenden Seidenstreifen (ist das Seide? oder Samt? Wahrscheinlich letzteres, weil weiter vorne im Satz schon was mit "Samt" steht), außerdem tragen alle Norwegenflaggen, entweder als Flagge selbst oder als Stoffband, das am Anzug befestigt wird. Dann werden zwei Gruppen gebildet, die eine bildet einen gigantischen Umzug durch die Innenstadt und ruft "Hipp-hipp-hurra!", singt und freut sich, die andere steht an den Straßenrändern und schaut sich den Umzug an, ruft "Hipp-hipp-hurra!", singt und freut sich. Der Umzug ist nach sozialen Gruppen sortiert und im Prinzip kann jeder, der zu einer gehört, mitlaufen. Oder selbst eine Gruppe eröffnen. Alle möglichen waren dabei, von sämtlichen Grundschulen der Stadt über den Byåsen Skiklub, die Tauchschule, die Sexualaufklärungsgruppe der Medizinstudenten und den Kung-Fu-Verein bis hin zu den französischen Studenten in Trondheim (ganze 6 Stück, einer hatte sogar eine Baskenmütze auf und ein Stangenweißbrot in der Hand), dem christlichen Verein junger Männer und vielen Chören und Kapellen. Alle essen Eis und Würstchen, in der norwegischen Tagesschau war abends ein kleines Mädchen zu sehen, dass stolz erzählte, anlässlich dieses 17. Mais 17 Kugeln Eis gegessen zu haben. Obwohl die Stadt so voll war wie noch nie, schaffen die Norweger es, das "Gedränge" völlig entspannt zu halten. Jeder Bürgersteig war noch gut passierbar, egal, wo man stand, wurde einem ein kleiner Freiraum zum Atmen gewährt. Kein einziges Mal wurde ich angerempelt und nie standen die Leute so hirnlos im Weg, dass ich mich gezwungen sah, mir selbst den Weg unter Gewaltanwendung freizubahnen. Es war ein wirklich schönes Erlebnis! Bei dem ich allerdings auch merkte, dass Norweger tatsächlich groß sind. Von hinten konnte ich selten die Zuschauergruppe überblicken und den Umzug sehen, ein Baum am Straßenrand half mir aber bereitwillig.


der Umzug auf dem "Torvet", dem zentralen Platz


meine Lieblingsblaskapelle "Flatåsen Tut&Blæs"


in der Munkegata


viele Flaggen


eine Tanzgruppe

Dienstag, 21. April 2009

Magen-Darm

Wegen unfeiner Ausdrücke und viel anderem Scheiß ist der nachfolgende Bericht nicht für Kinder geeignet. Wer keine unfeinen Ausdrücke und anderen Scheiß mag, sollte auch als Erwachsener auf das Lesen verzichten. Als Alternative verweise ich auf meine bisherigen zahllosen anständigen Artikel.

Die einen finden es zum Kotzen, die einen beschissen, die anderen beides: Gastroenterologie. In den vorigen Wochen durfte ich mich daran erfreuen, Unterricht in dem wahrscheinlich einzigen Fach zu erhalten, in dem die Ärzte Farbe, Form und Geruch des Stuhls (die Ankreuzmöglichkeiten auf dem Formular sind 'ekelhaft', 'stinkend' und 'aromatisch') mehr interessiert als der Blutdruck.

Das ganze beginnt morgens mit einer "røntgenmøte", das bedeutet, dass die Ärzte und Studenten morgens um 7.45 in ein dunkles Zimmer gesperrt werden, in denen es Røntgen- und CT-Bilder und auch Defäkogramme zu sehen gibt. Was das letztere ist? Tja, wenn der Stuhl kommt nicht einfach rauskommt, wie er soll, sondern ein Teil immer irgendwo hängen bleibt, dann ist es sehr spannend, wo. Daher bekommt der Patient entgegen der Fahrtrichtung einen leckeren Bariumbrei zugeführt, dann darf er sich auf den Topf setzen, um den Brei wieder loszuwerden (=Defäkation) und wird dabei nicht nur von Doktoren und Schwestern, sondern auch von einer Röntgenröhre beobachtet. Und gefilmt. Und diesen Schwarz-Weiss-Film bekommen wir dann morgens bzw noch halb nachts in dieser dunklen Kammer als Endlosschleife vorgesetzt. Schläfrig und der schnellen und chaotischen Diskussion um den Patienten auf Norwegisch sowieso nicht folgen könnend, schafften meine Augen nicht, einen näheren Punkt zu fixieren und blickten müde geradeaus auf den sich unermüdlich wiederholenden Film. Noch alles drin - drücken - ah, da ist der Tumor - flatsch! Einen Sekundenbruchteil später war alles wieder drin und das ganze begann von neuem... Nach 78 Defäkationen und fast einschlafend fragte ich mich, warum ich eigentlich nichts Anständiges studierte, sondern hier morgens vor dem Aufstehen Leuten beim radioaktive Scheiße in eine Schüssel machen zusah. Später gingen wir auf Station über den Gang und auf uns kam ein uralter Mann entgegen, der alle auf dem Weg nach ihrem Namen fragte. "Wie heißt du?" -"Trond!", sagte der Oberarzt, "ich behandle Sie seit 3 Tagen!" "Gestern fragte er, warum er eigentlich hier sei", sagte die Schwester, nachdem auch Sie ihren Namen nennen musste. "Wie heißt du?", fragte der Greis forsch. "Ich heiße Torsten.", sagte ich. "Torsten, mmpf, grmbl... Weitermachen!", sagte er und ging vorbei. In dem Moment erreichte ich auch schon das rettende Untersuchungszimmer, in dem die mittelalte kleine rüstige Oberärztin, die kein Fäkalwort ausließ, wann immer sich die Benutzung anbot, unserer kleinen Gruppe eine Patientin vorstellte und uns mit ihr als Beispiel unterrichtete. Was an weiteren Untersuchungen bei ihr demnächst angebracht wäre, fragte die Ärztin in die Runde. Viele gute Vorschläge hatten wir, noch mal Blut abnehmen, CT, Ultraschall... Das richtige war noch nicht dabei, und nach Hirnbiopsie, Spinalpunktion, transösophagealer Echokardiographie und Vivisektion sagt endlich jemand "Koloskopie." "JA!", rief die Ärztin begeistert. "NEIN!", rief die Patientin entsetzt, sie habe schließlich gehört, dass das schmerzhaft wäre. "Naja, weißt du, viele Dinge, die wir hier in der Medizin machen, sind nicht sehr angenehm", sagte die Ärztin und "Ein Fest wird es sicher nicht werden." Beruhigende Worte.

Am nächsten Morgen ging es mal wieder in die Operationsstube. Beim Patienten sollte zuerst eine Darmspiegelung durchgeführt, dann ein künstlicher Darmausgang angelegt werden. Nachdem der Patient betäubt war und ich einen Blasenkatheter legen durfte (hurra!), kam der griesgrämige Operateur in die Stube und steckte beim Vorbeigehen dem Patienten erstmal einen Finger in den Hintern, bevor er das freundliche "Guten Morgen" der Schwestern erwiderte. "Grrrn, AVFØRING", knurrte er wie ein Klingone mit starkem Kater (zu deutsch etwa "grrrn, STUHL"). Danach wurde der Dickdarm mit Luft aufgepustet wie ein Luftballon und die kurze Operation begann. Als der Chirurg den Darm anschnitt, entwich die Luft mit einem scheinbar endlosen Furzen. Die Schwesternschülerin und ich waren von der Vorstellung begeistert, die älteren Schwestern lachten ein wenig und die Anästhesistin fragte den Chirurgen, was er zum Frühstück gegessen hatte.

Ich werde jedenfalls kein Gastroenterologe, wenn ich groß bin.


Jetzt fehlen diesem Eintrag aber noch Bilder, nicht wahr? Da ich euch zuliebe auf gastroenterologische Fotos verzichten wollte, kommt hier eins, das ich vor einigen Wochen beim Skifahren in Oppdal aufgenommen habe. Manchmal ist Norwegisch genauso wie Berlinisch, siehe rote Schrift.

Mittwoch, 25. März 2009

Von den spitzen Bergen kommen wir

In 19 Stunden in die Arktis

Vorletzten Mittwoch um 7.00 flog mein Flugzeug ab Trondheims Flughafen Værnes Richtung Norden ab, es war Zeit für eine Reise kurz vor den Nordpol, nach Svalbard. Diese zu Norwegen gehörende Inselgruppe mit Spitzbergen als Hauptinsel hat eine Landfläche von zwei Mal Berlin und Brandenburg zusammen, wohl ist es dort aber etwas kälter. Ich würde Zacharias besuchen, draußen im Schnee sein und Abenteuer erleben!

Doch zuerst war, nachdem ich in einem Hörsaal im Krankenhaus geschlafen, mich um halb 5 nachts zum Flughafenzug gequält und die ersten 2h Flug hinter mir hatte, eine Tasse Tee mit Andrea in Tromsø fest eingeplant. Dort musste ich sowieso umsteigen und da es mit Andreas Stundenplan passte, fuhr ich mit dem Bus kurz ins Zentrum auf der gegenüberliegenden Seite der Inselstadt. Es gab sehr viel Neuschnee an diesem Tag und es war das erste Mal, dass ich mit einem Stadtbus seitwärts fuhr. Der Fahrer lenkte jedoch völlig unbeeindruckt gegen und brachte seinen Bus sicher und sportlich ans Ziel. Nach einem netten Stündchen in einem Café machte ich mich wieder auf den Weg zum Flugplatz, schließlich ging es um 12.15 weiter. Zumindest glaubte ich das zu diesem Zeitpunkt...

Ständig fuhr eine Kolonne Räumfahrzeuge die Landebahn auf und ab und kämpfte gegen den immerfort fallenden Schnee. "Das Flugzeug aus Oslo und mit Weiterflug nach Svalbard wird sich um einige Zeit verspäten", sagte die Ansagerin, "es dreht seine Runden vor der Stadt und wartet, bis die Bahn frei ist." Aus Langeweile las ich eine "Nordlys", die größte nordnorwegische Zeitung, die auf dem Sitz neben mir liegen gelassen wurde. Interessanterweise stand dort, dass Tromsøs Flughafenbetreibergesellschaft rote Zahlen schreibe und in Zukunft bei viel Schneefall öfter die Landebahn sperren werde als bisher, da das billiger sei als das kontinuierliche Freihalten der Bahn. Manchmal kommt die Zukunft schneller, als man glaubt. Das Flugzeug habe wegen starken Schneefalls wieder abgedreht und werde stattdessen in Evenes landen, etwa 150km weiter südlich, lautete die nächste Ansage etwa 30min später. Selbstverständlich würde man uns auf dem Laufenden halten, wir dürften gegen 14.00 mit der nächsten Meldung rechnen. Netterweise gab es einen Essensgutschein über 150kr für alle Reisenden. Leider hatte das einzige Restaurant im Flughafen wegen Umbauarbeiten geschlossen und es gab nur ein Kiosk, das ich gerne um einige Teilchen, Kekse und Muffins erleichterte.
Tatsächlich kam die nächste Ansage schon vor 14.00. Unser Flugzeug sei nun direkt von Evenes nach Longyearbyen/Svalbard weitergeflogen, hieß es. Fein! Es würde nun erwogen, ob wir ein Ersatzflugzeug bekommen und das würde man sicherlich innerhalb der nächsten 2-3h wissen.

"Ja", so kam die nächste Ansage nach einiger Zeit (in Norwegen ist es üblich, Ansagen jeglicher Art mit 'ja' zu beginnen, wobei das 'ja' beim Einatmen gesprochen wird), "ja, SAS hat das Vergnügen, einen zusätzlichen Flug nach Svalbard an diesem Tag anzubieten." Zusätzlich zu was? "Er trägt die neue Flugnummer SK 6300 und geht um 22.30 Uhr." Das Praktische daran war allerdings, dass die Reisenden aus Oslo schon längst auf der Insel waren und alle meine Bedenken, keinen Platz in der 737 zu bekommen, damit aufgehoben wurden.

Flughafen Tromsø

Um kurz nach Mitternacht erreichte ich Longyearbyen, im Norden war ein heller Streifen am Horizont zu sehen, der helle Tag hinter dem Pol. Die -15°C waren ungeheuer kalt und nur für die paar Meter zum Bus und vom Bus in Zachis Wohnheim hätte ich fast Handschuhe, Mütze und Zusatzhose aus dem Rucksack herausgekramt. Ja, es gibt einen Bus. Vom Flughafen in den Ort, nach jedem Flug, also 0-2 Mal täglich. Viel länger ist das Spitzbergener Straßennetz auch gar nicht. Wahrscheinlich war der Bus nicht für diese Bedingungen gemacht, der Drehzahlmesser bewegte sich völlig unabhängig von der Drehzahl ziellos hin und her, die ganze Fahrt über leuchteten 2 und blinkten 2 weitere rote Leuchten auf dem Armaturenbrett. Der Fahrer war alt und grau, hatte eine riesige Zahnlücke und das Grinsen eines verwegenen Irren. Er kannte die Wildnis. Gegen halb eins empfing mich Zachi in seinem gemütlichen Zimmer und ich holte viel Schlaf nach...



Universität auf 78° Nord


Eisbärenwarnschild am Ortsausgang, gilt für ganz Svalbard

Vormittags lief ich von Nybyen (=Neustadt), der Barackensiedlung am Ende der Bebauung in einem nach Norden offenen Tal, in der Zachis Wohnheimbaracke angesiedelt war, in die Innenstadt von Longyearbyen zur Uni. Longyearbyen ist mit 2000 Einwohnern die größte Siedlung Svalbards, hier gibt es neben der Uni auch den einzigen Supermarkt. Insgesamt hat Svalbard um die 2800 Einwohner, fast so viele wie Eisbären. Da diese sich wohl gelegentlich nicht den Spaß entgehen lassen, wohlgenährte Touristen zu speisen, sollte man den Ort nur mit Gewehr verlassen. Das Gewehr gehört zum Stadtbild, in jedem Wohnheimzimmer gibt es in der Garderobe einen Gewehrhalter, vor dem Supermarkt steht ein Schild, dass man bitte ohne Gewehr einkaufen möge und so ziemlich jeder Schneemobilfahrer hat eins auf dem Rücken. Was ich leider nicht mitbekommen habe, sind die Angaben der Lottozahlen dort oben...

Die Uni dort ist mit Abstand die schönste, die ich je gesehen habe! Am Eingang muss jeder seine Schuhe ausziehen, innen besteht das Gebäude fast ausschließlich aus Holz und Fenstern mit Blick auf Berge und Fjord, dennoch sehr modern und architektonisch sehr interessant. Dazu richtig gemütlich, wie in einem riesigen Wohnzimmer! Vier Studiengänge werden dort angeboten, die Unterrichtssprache ist englisch, die Atmosphäre international. Freitag Abend trifft man sich zum "social gathering" in der Kantine, einem runden Anbau mit Tipi-ähnlicher Form und offenem Feuer in einer großen Steinwanne in der Mitte des hohen runden Raumes. Der alte vollbärtige Glaziologie-Professor saß auf einem Holzhocker, spielte Country-Lieder auf seiner Gitarre und sang dazu, ein etwas jüngerer Mann improvisierte dazu ein paar Akkorde auf dem Klavier. Eine kleine Horde Studenten, die sich neben den Musikanten auf der kuscheligen Couch entspannten, hörten zu, sangen mit und lachten.


Straße von Nybyen in die "Innenstadt"


in der Uni




Vermint und verlassen

An einem Nachmittag stapften Zacharias, Tobias, Fabienne und ich von Nybyen den Berghang zu einer verlassenen Mine hinauf. Ein guter Teil des Daches hatte den Schneemassen schon nachgegeben und war eingestürzt, aber der größte Teil des Gebäudekomplexes stand noch und lud zum Erforschen ein! Von der Hangseite gelangten wir auf das eingeschneite Dach und konnten über eine Schneerutsche vor einen Eingang gelangen und durch ihn ins Gebäude, wie die Schneemassen vor uns, die sich neben offenen Türen und unter fehlenden Dachteilen zu mannshohen Haufen aufgetürmt hatten. Im Inneren gab es noch viele gut erhaltene Dinge von den damaligen Zeiten, als hier Steinkohle abgebaut wurde, z.B. ein mahnendes Schild mit der Anzahl der Tage seit dem letzten Verletzten, den Verletzten im letzten Jahr und im aktuellen Jahr bisher. "2" und "4" waren mit Strichen in den ersten beiden Feldern eingetragen, das dritte Feld war leergewischt. Es gab leere Kaffeepackungen und Büchsen mit Isolierschaum. Teilweise war der Boden mit Eis bedeckt und faszinierende Eisskulpturen wuchsen an einigen Stellen empor. Wir fanden einen Eingang in einen Stollen, schon halb verschüttet, aber mein Wanst passte gerade noch hindurch. Es ging sicherlich noch 30-40m in den Berg hinein mit einer Abzweigung, bevor der Stollen völlig verschüttet war! Auf dem Grund waren Schienen verlegt, Loren gab es nicht mehr. Zur Sicherheit hätte ich gerne einen kleinen Hund gehabt, der im Zweifelsfall vor mir ersticken würde. Da niemand einen in der Jackentasche hatte, würde es im Zweifelsfall ohne gehen müssen... Mir folgte nur die abenteuerlustige Schweizerin Fabienne in den Schacht, "Lässig!", kommentierte sie begeistert mit strahlenden Augen.

Später stießen wir auf einen einige Meter bergab in ein weiteres Gebäude führenden Holzschacht mit nur noch an manchen Stellen sichtbarer Treppe. Der Rest war unter Schneemassen begraben, leider ging es zu steil hinab, um ohne größere Verletzungsgefahr einfach hinunterrutschen zu können. So arbeiteten wir uns langsam, teilweise auf dem Hintern mit Fußbremse durch das "Treppenhaus" in das andere Gebäude, welches sich als die Bergstation der Seilbahn, die die Kohle einst in die Stadt und zum Hafen fuhr, zu erkennen gab. Aus fast einem Dutzend großer Metallschächte mit großen langen Zuggriffen zum Öffnen fiel die Kohle früher wahrscheinlich mit ohrenbetäubendem Lärm in die Gondeln. Heute gab es keine Gondeln mehr und kein Seil, aus der Longyearbyen zugewandten offenen Seite der Station hatte man aber freien Blick über die gerade Reihe von bergab und durch den ganzen Ort führenden Seilbahnmasten. Auf jeden Fall hatte die Kohle früher eine sehr schöne Fahrt...

Zurück ging es auf von Zachi gesponsorten Einmal-Schlitten, Plastiktüten der Svalbardbutikken, die wir zum Abpolstern mit Schnee füllten. Schnell waren wir wieder im Tal!



Aufstieg zur alten Mine


die halb eingestürzte südwestliche Seite


im Holzschacht bergab



Von blauen Gletschern, weißen Bären und roten Segelschiffen

Am Samstag versprach das Wetter perfekt zu werden, purer Sonnenschein bei um die -15°C. Wir beschlossen, einen Ausflug zum Tunabreen zu machen, einem großen Gletscher mit hoher blauer Abbruchkante, die steil in den um diese Jahreszeit von einer 70cm dicken Eiskruste bedeckten Tempelfjorden abfällt. Die Entfernung von Longyearbyen betrug 72km, sodass wir uns Schneemobile mieten mussten. Auf Grund von Lärm, Gestank und Abgasen sicherlich nicht die von mir favorisierte Methode, die unberührte Natur der endlosen arktischen Wüste zu entdecken, aber es erübrigt sich zu sagen, dass die Tour mit Skiern nicht möglich war, weil zu weit, mit Bus und Bahn nicht möglich, weil nicht gibt und mit dem Rad nicht möglich, weil alles voller Schnee... So schlüpften wir morgens in die großen dicken Schneemobil-Overalls und Schneemobil-Stiefel und liefen zum Verleih im Ort! Nach einer einwöchigen Feldarbeit auf einem Gletscher waren die anderen 5, die heute dabei waren, schon geübt im Fahren mit Schneemobilen. Trotzdem gab es eine kleine Einweisung in die drei Mobile, wir teilten uns jeweils zu zweit eins. Außerdem bekamen wir Helme und eine Balaklava (Gesichtsmaske, nicht zu verwechseln mit "Baklava", der griechischen Süßspeise, in beide Richtungen wird die Verwechslung eklig...) und sogleich machten wir uns mit Rucksäcken, Thermoskannen, Schokoladenkuchen von Fabiennes Geburtstag, Schaufel, Signalpistole und Gewehr bewaffnet auf den Weg. Routiniert und mit einem Physiker-Pokerface startete Zachi das Fahrzeug und verließ den Parkplatz, ich saß als Beifahrer hinter ihm und erwartete eine ruhige gemütliche Fahrt durch den weichen Schnee. Nach Verlassen des Parkplatzes beschleunigte Zachi auf der buckligen Schneepiste sofort auf 60km/h, unwillkürlich wurde ich bei jedem Buckel nach oben geschleudert und hatte spätestens jetzt herausgefunden, wozu es die Haltegriffe an der Seite gab. Es war ein Riesenspaß und ich kam aus dem Lachen nicht mehr heraus! Lange ist es her, dass ich zum letzten Mal Achterbahn gefahren war. Nach kurzer Zeit durfte ich mich selbst am Fahren versuchen, auf unser weitgehend ebenen Strecke war es nicht sehr schwierig und machte trotzdem viel Spaß! Bei ihrer Arbeit haben Zachi und Fabienne ihre Fahrzeuge einmal bis 120km/h aufgedreht, erzählten sie begeistert, seien über Sprungschanzen gesprungen und an so schrägen Hängen entlanggefahren, dass Zachis Schneemobil ein Mal umgekippt sei und sie es zu dritt ("dritt" sollte man in Norwegen allerdings nicht zu laut sagen, es bedeutet hier "Scheiße") wieder auf die richtige Seite hieven mussten. Aber so etwas blühte uns heute nicht, als wir durch langgestreckte Täler zum zugefrorenen Tempelfjorden fuhren. Kurz vor dem Fjord hielten uns zwei entgegenkommende Schneemobile an, wir sollten wachsam sein, es wurde heute ein Eisbär auf dem Fjord gesehen! Würden wir ihn auch zu sehen bekommen??



Blick von einer Anhöhe über die Mündung des
Tempelfjorden in den großen Isfjorden


Mitten auf dem Tempelfjorden lässt sich jede Saison ein großes holländisches Segelschiff, die "Noorderlicht" einfrieren. Wer sehr viel Geld mitbringt, kann hier in luxoriösen Kabinen und mit Vollpension übernachten, es wird jedoch darauf hingewiesen, dass das unbewaffnete Verlassen des Schiffes nicht gestattet ist. Es wäre schon ein einmaliges Erlebnis! Vor dem Schiff spielten drei Welpen mit recht grobem Umgang miteinander, es wurde gebissen, bis einer aufheulte. Wenn sie gerade nicht bissen oder gebissen wurden, ließen sich die süßen pelzigen Racker gerne von uns streicheln. Ich beneidete sie ein bisschen darum, ohne Zentimeter dicke Anzüge einfach die Kälte aushalten zu können. Bei uns fror die Feuchtigkeit der Ausatemluft sofort an der Balaklava fest, manchmal sogar innen am Visier, dann musste man erstmal Eis kratzen...





Auf der Weiterfahrt hielten wir in jeder Sekunde nach dem Eisbären Ausschau, den wir zu sehen hofften. In der Weite des Fjords hatte sich ein beschneiter Eisklotz als Eisbär getarnt, falscher Alarm. Die Entfernungen waren kaum einzuschätzen, vom Segelschiff aus sah die Abbruchkante des Gletschers schon sehr nah und gar nicht groß aus. Doch erst einige Zeit später kamen wir ihr deutlich näher, als das Schiff hinter uns nur noch als kleiner Punkt zu sehen war. Später sah ich auf der Karte, dass es 10km von der Noorderlicht bis zum Gletscher waren. Wir machten eine Pause kurz vor der Abbruchkante, als uns von ihr aus einige Schneemobile entgegen kamen, die wir davor nicht gesehen hatten, weil sie zu klein gewesen waren. Es musste immer noch ein deutliches Stück bis dorthin sein. Zufällig sah ich links einen sich bewegenden elfenbeinfarbigen Fleck. Es war der Eisbär! Er war weit weg, vielleicht einen Kilometer (wirklich schlecht einschätzbar), aber deutlich auszumachen. Wir sprangen von unseren Mobilen und beobachteten den Bären, der ungestört langsam und bedächtig über den Schnee trottete. Außerdem sahen wir noch eine Robbe, bevor sie durch ein Eisloch wieder in den Tiefen des Fjords verschwand und kurze Zeit später pausierten wir vor den kristallblauen Eisformationen. Mit etwas Abstand, denn der Gletscher kalbt gelegentlich. Meine Käsebrote waren mit einer Rauhreifschicht bedeckt und die paar Teetropfen, die beim Eingießen außen an der Thermoskanne herunterliefen, froren sofort an ihr fest. Und man musste gut nagen, um die Schokoladentafel durchzukriegen. Ein tolles Erlebnis!






Höhlenforschung

Am letzten Tag vor meiner Abreise beschlossen wir, in eine Moränenhöhle zu kriechen. Auf dem Schneefeld am Fuß des Berges Sarkofagen machten nur ein paar rote Stangen auf die Öffnung aufmerksam. Nachdem wir uns mit Stirnlampen ausgerüstet hatten (der Bergenser Frode borgte mir netterweise seine), krochen wir durch die schmale Öffnung in Schneeschicht und Moränengestein in die Höhle. Im ersten Raum konnte man wenigstens wieder hocken und sich so auf der Eisschicht des Bodens vorwärtswatscheln. In dem Moment kam uns eine kleine andere Gruppe auf dem Bauch Richtung Ausgang rutschend entgegen und grüßte fröhlich. Der Anblick war köstlich. Weiter hinten erweiterte die Höhle ihre Höhe und man konnte sogar stehen. Boden, Wände und Decke glichen sich mit ihren zusammengepressten Geröllkugeln, ab und zu waren wunderschöne glitzernde Formationen aus Schneekristallen an Wänden und Decken zu sehen. Noch weiter im Inneren wurde die Höhle flacher und flacher und man musste einen beträchtlichen Teil der Strecke in Bundeswehrmanier auf dem Boden robbend zurücklegen. Nach einem weiteren größeren Raum wurde die Höhe selbst zum Robben zu niedrig und ein großer Gang ging mit blankem Eis bedeckt mit ca 45° nach schräg oben weiter, ohne Ausrüstung gab es für uns keine Möglichkeit, weiterzukommen, also kehrten wir um. Zurück im Tageslicht erfuhren wir, dass wir 45min in der Höhle waren! Netterweise hatte der zweite Teil unserer Gruppe trotz der langen Wartezeit die Öffnung nicht verschüttet und wir ließen den Tag mit einer Runde klettern in der Halle und einem Kinofilm im Gemeindehaus von Longyearbyen ausklingen bzw mit einem Fußballspiel in Zachis Fall.

Wehmütig lief ich am nächsten Mittag zum Flughafen, nachdem sich die anderen für ihre nächsten freien Tage Gewehre und einen Draht mit Sprengladungen als Eisbärschutz fürs Zelt ausgeliehen hatten. Ein Pullover der Uni Spitzbergen wird mich in Zukunft immer an die tolle Zeit an diesem wundervollen Ort erinnern. Nach der Hälfte der Strecke nahm mich ein netter Ortsansässiger in seinem VW-Bus mit und ich flog mit Zwischenlandungen in Tromsø, Andenes, Narvik und Bodø, diesmal ohne Komplikationen, nach Trondheim zurück.


der Höhleneingang


Berg "Sarkofagen"


der schmale Eingang in die Höhle



das Forscherteam

Dienstag, 10. März 2009

Feuersbrunst, Langlauf, Stichsäge und das Zipfelmützenschweinchen

Bis jetzt schrieb ich immer viel von Unternehmungen und Reisen, auch in letzter Zeit erlebte ich viel. Erst war ich mit Stephie,Teresa, Zacharias in Schweden Ski fahren, dann kam Luise zu Besuch, wir waren in Oslo, dann kamen Anne und Johann, dann Judith mit einer Freundin. Wir waren auf Skiern unterwegs, in einer Hütte im Wald an einem zugefrorenen See, in Flåm und Gudvangen am Nærøyfjord, in Bergen, in Røros auf einem Markt mit vielen Leuten, vielen Pferden, vielen Pelzmänteln, viel Schnee und viel Kälte. Also viel zu viel, um hier alles detailliert zu schildern.

Das "Verhalten im Brandfall"-Schild in der Bergener Jugendherberge ist aber noch einen Blick wert (anklicken zum Vergrößern):

Nett, dass wenigstens erklärt wird, dass es sich bei einem "Feueriärm" um einen "Feuermelder" handelt. Aber wenn die Feuersbrunst erst einmal richtig in Gang ist, wird höchstwahrscheinlich sowieso automatisch die Feierwarnung ertönen. Und dann muss man schleunigst am Rettungstau heruntergleiten.


Judith und Christine vor der Hütte am See. Wer "A" sägt, muss auch "B" sägen.






Ein Blick auf den "Storfossen", den größten Wasserfall dieser Provinz



Luise und ich auf dem Gråkallen, Trondheims Stadt"berg"



Zacharias und ich beim Rückenwettrutschen auf dem Jonsvatnet



Luise, icke, Zachi und Teresa (von links; von rechts würde es außerdem "asereT dnu ihcaZ ,ekci ,esiuL" heißen)



das Zipfelmützenschweinchen und der große, böse Wolf




beim Skilanglauf hinterm Haus






auf einem See im Stadtwald

(Bilder 3,4,6,7,8,9,10,11 wurden zur Verfügung gestellt von Zacharias und Teresa)


Aber was geschieht hier in Trondheim, im Alltag außer Langlauf?

Neulich hatte ich das Vergnügen, zwei Mal mit in die "operasjonsstua" (also wörtlich "Operationsstube") zu dürfen. Lustigerweise ist es hier umgekehrt wie in Bayern, der Norweger schreibt "kirurg", spricht es aber "Chirürg" aus.
"Hallo, ich bin Inge.", sagte der 1. Assistent mit tiefer Stimme und frug, wo ich herkäme. "Eines der Dinge, die die Deutschen erst noch lernen müssen, ist", erklärte er mir, "dass 'Inge' ein Männername ist." Aber ich solle mir keine Sorgen machen, der zweite Assistent sei auch kein Norweger. Er war in der Tat ein Däne, schreibt also fast genau die gleiche Sprache wie Norweger, spricht sie aber, um es milde auszudrücken, pervers aus. Eine Kommilitonin hier erzählte mir einst, dass dänische Kinder nur ein Drittel des Wortschatzes norwegischer Kinder hätten, weil sie das Gelalle der Eltern nicht verstehen könnten. "Huulllkniv!", sagte der Däne zur Schwester, die ihn fragend ansah. Er versuchte es erneut, schön langsam: "H-uull-kniiiv!". "HÜDkniv!", übersetzte der Operateur, der verstand, dass der Däne sich wohl ein "hudkniv" (="Hautmesser"), also ein Skalpell wünschte, mit welchem er den Patienten zu traktieren gedachte. Und dann ging es auch schon los! Nach einem langen Hautschnitt wurden die Rippen mit einer Apparatur, die ich nicht mit Namen kannte, die aber absolut einer handwerklichen Stichsäge entsprach, mit viel Getöse vom Brustbein getrennt. Als nächstes bekam das Herz eine tödliche Dosis Gift injiziert, schließlich sollte es ja stehen bleiben, damit es sich vernünftig operieren lässt. Die Blutversorgung übernahm derweil eine große Herz-Lungen-Maschine, die von einem "Perfusionisten" bedient wurde. Es war eine sehr groteske Situation, dass der Anästhesist jetzt direkt mit dem Herzen sprechen konnte. "Entweder du verringerst dein Minutenvolumen ein bisschen, oder ich spritze was Gefäßerweiterndes!" -"Tut mir leid, bin schon beim minimalen Volumen, kann nicht noch weiter runterdrehen. Dann spritz eben dein Zeug!" Und alle erklärten uns Studenten bereitwillig, was sie taten! Auf zwei großen Flachbildschirmen konnten wir live mit den Augen des Operateurs sehen, Dank der Helmkamera an seiner Stirn. Ein großer Spaß für Jung und Alt. Nun, außer für den Patienten womöglich, aber der war ja betäubt, daher war es egal.

Hier in Norwegen gibt es nicht so viele Zivis wie in Deutschland, dafür Roboter, die in den Katakomben unter den Krankenhausgebäuden Wäschekörbe und andere Dinge durch die Gegend fahren. Sie können sogar Fahrstuhl fahren und so hoch auf die Bettenstationen gelangen! Im Prinzip sind es nur kleine fahrende Plattformen mit blinkenden gelben Lichtern, die ab und zu rufen, dass man aufpassen soll, weil jetzt der Roboter komme. Allein die Tatsache, dass die Dinger sprechen, rundlich sind und bunte Blinklichter haben, lassen selbst bei den Studentinnen, die hier schon seit drei Jahren studieren, immer noch Muttergefühle aufkommen. "Ja, hallo, mein Kleiner!", sagte Marianne aus meiner ehemaligen Gruppe mit betont hoher Stimme, als uns vor der Umkleide ein Roboter vor den Füßen stand, "ja, wie heißt du denn? Hast du viel zu tun heute?" -"Pass opp! Robot travelt på veien.", sagte der Roboter völlig ungerührt.


ein Roboter mit Container auf dem Rücken unterwegs im unterirdischen Irrgarten



einer der Automaten, der uns bereitwillig mit Frakks, Kitteln und Buksen versorgt

Montag, 12. Januar 2009

Frohes neues Jahr!

Jetzt ist also plötzlich 2009, ein ganz neues Jahr. Noch neuer als alle zuvor. Und lange ist es her, dass ich das letzte Mal schrob. Das liegt nicht etwa daran, dass es nichts Interessantes zu berichten gäbe, ich war bei Judith und Anja in Kopenhagen, stellte mich im Fach "Øre-Nese-Hals" meiner ersten mündlichen Prüfung auf Norwegisch, fuhr zum ersten mal mit Spikes-Reifen und bei -15°C Fahrrad, aß norwegische "Weihnachtsschweine" aus Marzipan und flog nach Deutschland, wo es warm und hell war. Viel mehr lag an meiner unheimlichen Faulheit. Das stellte schließlich schon mein Deutschlehrer Herr Backerra fest, "Der Torsten ist ja nicht dumm, aber stinkfaul!" Aber jetzt muss ich mich vor dem Lernen und meiner Hausarbeit drücken, daher finde ich wieder etwas Zeit zum Schreiben.



Die Geschichte beginnt am 27. abends, als ich von Berlin nach Trondheim flog und gegen Mitternacht wieder hier ankam. Das Stadtbild hatte sich arg gewandelt, der Schnee war fast rückstandslos getaut und gewaltige Eisflächen beherrschten das Gesichtsfeld. Mit 20kg Gepäck auf dem Rücken, 12kg vor dem Bauch, den Skistiefeln in der linken und meinen Skiern in der rechten Hand konnte ich das Adipositas-Gefühl live erleben, als ich mich vom 8er Bus in mein Heim bewegte. Nachdem ich erst gerne noch länger in Berlin geblieben wäre, erfreute ich mich bereits am nächsten Morgen meiner Rückkehr, als ich kurz vor 8 in Finsternis und Stille des Sonntagmorgens durch im Schimmer der Laternen glitzernde Eisfelder in die Stadt hinunterrollte, um Stefan und Tobi aus Berlin vom Bus aus Oslo abzuholen. Mit ihnen beiden sollte ich die nächsten 10 Tage hier verbringen.


Hatten viel Spaß hier! Guckten uns Trondheim an, wanderten in der Bymarka, dem Stadtwald, und fuhren am 30. mit einem Schnellboot über den Fjord, um auf der anderen Seite zu einer kleinen Hütte aufzusteigen, auf der wir Silvester feiern wollten. Hier machte uns der Schnee jedoch einen Strich durch die Rechnung. Obwohl auf Meereshöhe kaum noch welcher lag, war der Dezemberschnee auf über ca. 300m Höhe nicht geschmolzen und nachdem wir 4-5h gelaufen waren und dabei zum Teil über knietief im Schnee einsanken, beschlossen wir, zu kapitulieren. Immerhin brach die Dämmerung herein und wir hatten erst gut ein Drittel der Strecke geschafft. Also fuhren wir am 31.12. nach Oppdal, dem größten, aber im Verhältnis zu den Alpen durchaus beschaulichen Skigebiet Norwegens, ca. 120km südlich von Trondheim. Hier hatten wir glücklicherweise ganz spontan eine luxoriöse Campinghütte bekommen, es gab eine Heizung, Strom und sogar eine Herdplatte direkt in der Hütte. So kochten wir unsere Kartoffeln, erzählten uns Geschichten von den alten Tagen, warfen uns zum Abhärten nackig in den Schnee, spielten Karten und erwarteten das neue Jahr. Gegen 23.50 ging dann das Feuerwerk im sonst stillen, eingeschneiten Tal los und erreichte seinen Höhepunkt gegen 23.55. In Tobias' kleinen Fahrradradio Radio lief auf "Radio Norge" keinerlei Moderation, nur die ganz gewöhnliche "Musikk fra de siste fire tiår". So beschlossen wir, die wir auf der Bank vor unserer Hütte im Schneetreiben saßen, dass nun Neujahr sei und stießen mit Wein und Wasser an. Prosit Neujahr! Und "skål".
Noch ein paar Raketen flogen, ein paar Detonationen hörte man entlang des Tals und nicht allzu lange nach Mitternacht kehrte in Oppdal wieder Ruhe ein. Auch wir blieben nicht allzu lange auf, schließlich wollten wir alles Tageslicht zum Skifahren nutzen! Und das taten wir auch die nächsten beiden Tage.


Zurück in Trondheim war auch hier der Winter angekommen, es lag schon viel Schnee und fast täglich gab es eine Woche lang ununterbrochen Neuschnee. Am 7.1. reisten Tobi und Stefan wieder ab und für mich ging die Uni weiter. In dieser Zeit erreichte die Schneehöhe ihr Maximum mit mindestens einem Meter. Sogar auf der großen breiten E6 schafften es die schweren Lastwagen und Busse nicht, sich bis zum Asphalt durchzudrücken. Dann wurde es wärmer, während es weiter schneite. Durch den zig Zentimeter hohen nassen Schnee mit Rührteig-Konsistenz mit matschigen Spurrillen war es selbst mit meinen tollen Spikes-Reifen einfach unmöglich, vorwärts zu kommen und ich musste schieben, was auch nicht gerade einfach war. Am Tag darauf war es mindestens genau so schlimm und ich beschloss, den Bus zu nehmen. Damit brauchte ich vom Krankenhaus zur Kletterhalle auf dem Berg allerdings 1h45min für 6-7km. Selbst zu Fuß wäre schneller gewesen! Ab und zu stieg ich auch aus und lief weiter, wenn sich ein Bus komplett festgefahren hatte und nahm dann einen oder zwei Busse früher, die ich zu Fuß spielend einholte. Doch die standen am nächsten Hügel meist wieder. Und was haben wir daraus gelernt? Mit dem Rad geht es immer noch am schnellsten, gerade bei widrigen Umständen.



Heute fuhr ich zum ersten Mal Skilanglauf! Geradeaus und bergauf war kein Problem, bergab aber furchtbar! Schaffte es zwar ohne Fallen, aber es muss ziemlich beschränkt ausgesehen haben... Hatte das Gefühl, mir einen großen Wackelpeter unter die Füße geschnallt zu haben. Bei jeder Abfahrt, bei der ich vergaß, dass ich keine Alpinskier fuhr und einfach zu lenken versuchte, wurde ich umgehend mit Gleichgewichtsverlust bestraft und hielt mich nur mit zwanghaften, reflexartigen Bewegungen wie beim St. Veitstanz knapp auf den Beinen. Langlaufskier sind nämlich absichtlich so konstruiert, dass man damit nicht einfach lenken kann. Selbstverständlich könnte man sie einfach mit scharfen Kanten bauen, aber das wäre natürlich langweilig, weil man dann als Alpinskifahrer relativ schnell damit lenken lernen könnte, die Erfinder ihren Sadismus gar nicht befriedigen könnten und die Zuschauer auch weniger Spaß hätten. Ist ja schließlich auch eine ganz lustige Idee, einen Skityp zu erfinden, der mit annähernd genauso wenig Reibung zur Seite wie geradeaus fährt. Aber damit werde ich mich wohl abfinden und es einfach lernen müssen! Spaß macht es schließlich.

Vor ein paar Tagen kaufte ich mir im Supermarkt ein Shampoo, zumindest dachte ich das. Bei der ersten Anwendung fand ich jedoch eine eklige cremige Emulsion in meinen Händen und dann Haaren, die mir nicht unbedingt dieses schöne Saubere-Haare-Gefühl einbrachte, sondern eher das Gegenteil. Entsetzt las ich die Gebrauchsanweisung und wurde belehrt, dass es kein Shampoo sei, sondern ein "Balsam", das man nach dem Waschen mit Shampoo in die Haare schmieren sollte, um es dann wieder abzuspülen. Vielmehr hatte ich aber das Gefühl, nach diesem "Balsam" mein Haar mit anständigem Shampoo wieder davon befreien zu müssen. Überhaupt, warum sollte man sich so etwas in die Haare schmieren? Ist doch albern.
Elisabeth erklärte mir, dass es eine "Spülung" sei. Da bei meiner Toilette eine solche aber schon integriert ist, benötigte ich sie nicht und durfte sie bei Elisabeth gegen ein richtiges Shampoo eintauschen. Letzteres trägt die grüne Beschriftung "Weightless Shampoo", worüber ich mich kräftig amüsierte. Ich ließ die Flasche los und sie fiel zu Boden. Da merkt doch jeder wirklich sofort, dass das erstunken und erlogen ist! Oder liegt es nur an der Flasche? Hab das Zeug noch nicht ausprobiert. Wer weiß, vielleicht wabert es nach dem Herausdrücken quer durch die Dusche?