Montag, 29. September 2008

Torsten tanzt

Am Wochenende war ich bei einem Tanzkurs, Männer gegen Frauen. Die Disziplin hieß Swing und die Grundschritte waren leicht zu erlernen. Meine gut gemeinte Geste einer anfänglichen Verbeugung als Zeichen von Sportlichkeit und Wohlwollen, wie ich sie noch vom Judo kannte, wurde allerdings etwas kritisch beäugt.



An sich machte der Kurs dann sehr viel Spaß! Als Mann hatte man keine großartigen Bewegungen durchzuführen, sondern nur die Frau vor sich steuern. Beispielsweise konnte man der Frau durch leichtes Amrempeln des Oberarms einen Drehimpuls versetzen, wodurch sie sich um 180° drehte, um ihr dann einen Klaps auf den anderen Oberarms zu geben, woraufhin sie sich wieder zurückdrehte. Das Spiel kann man nach Lust und Laune fortsetzen, da die Frau sich gezwungenermaßen führen lassen muss. Es erinnerte mich etwas daran, einen Eierkuchen mit der Bratpfanne in der Luft zu wenden und bereitete auch ähnlich viel Spaß! Natürlich lernten wir auch viele andere Manöver und die körperlichen Befehle, mit denen man sie einleiten konnte (z.B. Armhebel).



Meistens klappte das ganz gut, eine Gegnerin war nicht wirklich folgsam und führte einfach die Bewegungsmuster durch, die sie für angezeigt hielt. Wenn ich zeitgleich ein anderes für besser hielt, endete es nicht selten mit einer leichten bis mittleren Verdrehung ihres Schultergelenks. Naja, hat sie dann ja nicht anders gewollt.



Eine andere, eigentlich ganz hübsche farbige Gegnerin hatte absolut kein Gefühl für den Takt, selbst bei richtig gutem Swing, der es meiner Meinung nach erzwingt, sich im Takt zu bewegen, versuchte sie teilweise, einen 3er-Takt zu tanzen oder meistens einfach gar keinen! Um so krass gegen den Takt tanzen zu können, mangelte es mir wiederum an Musikalität, sodass ich eine Weile den Grundschritt durchführte und in diesen keine große Konzentration auf die Bewegung fordernden Momenten versuchte, sie einzutakten. Aber sie war absolut therapieresistent und ließ sich trotz meines dann groben Führungsstils überhaupt nicht beeinflussen. Vielmehr versuchte sie, mich in ihr chaotisches Bewegungsmuster mitzureißen. Letzendlich gewann ich diesen Kampf leider nicht. Aber ihr machte es immer viel Spaß, wenigstens etwas...



Eine dritte Gegnerin schien unter einer wirlich beachtlichen Muskelsteifheit ("Rigor") zu leiden, bei einigen Angriffen, die eine Senkung des routinemäßig erhobenen Arms erfordern, musste ich denselben mit sehr viel Kraft traktieren, damit er in die gewünschte tiefere Stellung gelang, etwa so, als würde man einen Fahrradreifen gegen eine stark schleifende Bremse drehen. (für die Mediziner: Zahnradphänomen, Ruhetremor und Akinesie nicht feststellbar, Morbus Parkinson daher eher unwahrscheinlich)



Mit den Gegnerinnen, die gut manövrierbar waren, machte es aber wirklich viel Spaß, und das waren zum Glück die meisten! Manche waren sogar ausgezeichnet manövrierbar, das machte dann umso mehr Spaß, wie schnelle Autos mit Blaulicht fahren. Hab auch Komplimente bekommen, zumindest 3 Stück (für die, die jetzt denken, dass sie Gott sei Dank nicht dabei waren und mit mir tanzen mussten). Immer erst ausprobieren und dann lästern, gell?



Würfe haben wir noch nicht gelernt, das kommt dann möglicherweise im Fortgeschrittenenkurs. Aber dann bin ich auf den Lofoten. Da keine Wabbel dabei waren und keine Mädels mit Stöckelschuhen, konnte ich auch ohne meine Sicherheitsschuhe mit Stahlkappe, die ich zu solchen Gelegenheiten sonst angezogen hätte, unbekümmert mit relativ geringem Verletzungsrisiko tanzen, was das ganze viel entspannter machte.



Abends habe ich dann gelernt, dass auch ein total stumpfes normales Besteck-Messer noch schneidet, wenn man es nur mit Genug Schwung und Kraft versehentlich auf seinen Daumen anwendet.

Donnerstag, 25. September 2008

Kletterwochenende

Letztes Wochenende war ich mit Martin aus Deutschland und Stefan aus den Niederlanden klettern. Wir fuhren Sonnabend früh mit der Schnellfähre ("hurtigbåt") auf die andere Seite des Fjords nach Vanvikan, von dort 5km mit dem Rad am Ufer entlang, parkten dort und liefen einen steilen Pfad durch den Wald auf den Hügel hinauf. Auf 500m Höhe, fast ganz oben, suchten und fanden wir die Wand, die Martin im Kletterführer herausgesucht hatte. Wir schlugen unsere Zelte auf der Moos- und Krautwiese ein paar Minuten entfernt auf und machten uns dann an die Arbeit!

Tja, viel gibt's dazu nicht zu schreiben, außer dass wir das ganze Wochenende die Wand für uns hatten und diese ein bisschen doof abzusichern war, weil wenige Spalten für Klemmkeile und diese oft bröselig (die Spalten, nicht die Klemmkeile). Da ich sowas sowieso nicht kann, hatte ich allerdings immer nur den entspannten Job des Nachsteigers und war immer von oben am Seil gesichert. Aber das Jahr ist lang und Martin weiß richtig viel, sodass ich hoffe, dass die "großen" mich öfter mal mitnehmen und ich dann selbst draußen vorsteigen lerne...
Von der Wand aus hatten wir einen beeindruckenden Ausblick über die südwestlichen Teile des Trondheimsfjords und Trondheim auf der gegenüberliegenden Seite des hier 20km breiten größten Fjords Norwegens.
Jetzt werde ich allerdings nur noch Fotos und Stichworte sprechen lassen: Samstag nasskalt - nasse Schuhe, bäh - nördliche Wand, ca. 20m - Spaghetti kochen - Lagerfeuer mit Schuhe trocknen - toller Sonnenuntergang - Stille - Schlafen - Frühstück - Wasser holen - Sonnenschein, warm! - südliche Wand, 30m - lange klettern mit viel Sonne - Zelte abbauen - Abstieg - Rückfahrt im Dunklen.
Die Bilder wachsen übrigens, wenn man sie anklickt.

Mittwoch, 17. September 2008

Dovrefjell

Am Wochenende unternahm ich eine typisch norwegische "Fjelltur" (also eine Wanderung durch die Berge mit in Zelt oder Hütte schlafen usw.) ins Dovrefjell, einen Nationalpark ca. 150km südlich von Trondheim.



Die Moschusochsen und ich
Freitag früh ging es mit dem Oslo-Zug zum "Bahnhof" Kongsvoll, der schon 800m hoch liegt. Er ist mit etwas weniger Infrastruktur ausgestattet als der von Oestrich-Winkel (dort gibt es einen Süßigkeitenautomaten), der Bahnsteig ist eine Wiese und ich war der einzige Aussteigende. Einen dem Bahnhof angeschlossenen Ort gibt es in jenem Tal auch nicht, nur eine Herberge und Vieh. Um das Bahnhofsgelände zu verlassen, muss man ein großes Weidetor öffnen und schon steht man neben einem kleinen rauschenden Bach im Nichts. Schon auf dieser geringen Höhe pfiff ein kalter Wind durchs Tal, wie sollte das erst oben werden? Nach kurzem Anstieg erreichte ich eine Hochebene, die Baumgrenze lag bei nur etwa 1000m und hier existieren, soweit das Auge reicht, nur noch Moose, Flechten, Steine, Moor und noch mehr Steine.




Und Moschusochsen, von denen mir ein 7-köpfiger Schwarm nach nur einer Stunde den Weg versperrte. Laut Reiseführer sollte man sich den urtümlichen, aber schönen braun-weiß gemusterten Geschöpfen nicht mehr als bis 200m nähern, sonst scharren sie nervös mit den Hufen und grummeln. Wenn man sich dann nicht zurückzieht, rennen sie wohl mit bis zu 60km/h auf einen zu und trampeln einen nieder. Manchmal scharren und grummeln sie auch nicht und trampeln einen direkt nieder, ganz nach Lust und Laune. Da sie das nicht taten, dürfte ich wohl noch 201m entfernt gewesen sein. Wenn er sich nicht bedroht fühlt, ist der Moschusochse allerdings ein friedfertiger Pflanzenfresser, der von sich aus nicht angreift. Während ich also auf einem Stein ausharrte, aß und auf das Weiterziehen der Rinder wartete, wurde mir klar, dass ich auch ein kleiner Moschusochse war, obgleich ich 60km/h nur mit dem Rad erreiche, bergab. Eigentlich sind sie genau wie ich an diesem Wochenende, ihre primären Interessen waren vegetarisches Essen und durchs Dovrefjell zu ziehen. Seltsam, dass die Menschen sie totschießen, ohne sich bedroht zu fühlen. Wäre umgekehrt doch auch nicht nett, wenn die Ochsen den Menschen im Dovrefjell hinter Felsen auflauern und sie dann ohne Grund erschießen. Die Tourismusbranche im Dovrefjell würde enorm leiden. Es ist schon gut, dass die Moschusochsen so nette Kerle sind. Nach kurzer Zeit zogen sie gemütlich weiter und so tat ich ihnen gleich. Nachdem ich in Haupttalnähe noch 5 andere Wanderer und 2 Jäger gesehen hatte, wurde es weiteren Verlauf der Hochebene absolut menschenleer. Bis auf eine kleine Hütte und einem Holzsteg über einen der breiteren Bäche gab es auch nichts Menschengemachtes, soweit das Auge reichte. Das sollte im gesamten Dovrefjell so bleiben.


Der Weg war relativ flach und bis auf ein paar anspruchsvollere Bachüberquerungen monoton, erst am Ende der Hochebene führte er über eine Steinwüste auf einen Grat hinauf. Dort oben fand sich am Nordhang ein festgefrorenes Schneefeld und ein kilometerweiter Ausblick ins nächste Tal. Dieses war eine gigantische Steinwüste mit Moosen, sodass ich keinen Bezugspunt hatte und nicht wusste, ob es bis zu den Hügeln auf der gegenüberliegenden Seite 2 oder 20km waren.






















Noch 2 oder 3 Stunden bestand der Weg nur daraus, von Stein zu Stein zu steigen, immer im Tal entlang. Geht nach ner Zeit ganz schön auf die Füße und die Moral! Nach insgesamt 26km an diesem Tag erreichte ich mein Tagesziel, den Nordfuß des hier höchsten Berges, der 2286m hohen "Snøhetta", den ich in Tälern umlaufen hatte. Nach einer ganzen Weile suchen fand ich 4m² Boden, der weder spitzsteinig noch moorastig war (eine Seltenheit) und schlug mein Zelt auf. Die Sonne war gerade schon hinter dem Hügel verschwunden und die Snøhetta lag in den Wolken, als das leise Rauschen meines Kochers die bis auf den kleinen Wasserlauf neben meinem Zelt einzige Geräuschquelle in der sonst absolut stillen Natur war. Gierig schlang ich den Topf warmer Nudeln herunter und freute mich auf meinen warmen Schlafsack. Der Standplatz lag perfekt zwischen 2 Bächen, sodass ich aus dem einen Wasser gewinnen und es dem zweiten zurückgeben konnte.




















Nykturie
Als ich des Nachts kurz mein Zelt verließ und mich in die Schweinekälte an den zweiten Bach begab, wurde ich mit einer überwältigenden Ansicht belohnt: Ein Sternenhimmel wie in Australien, der Mondenschein erleuchtete den Rauhreif, der sich ringsherum und auf meinem Zelt gebildet hatte, kein künstliches Licht, soweit ich blicken konnte! Die Berge ringsherum hoben sich mit schwachem Kontrast vom Himmel ab, der Gletscher glitzerte im Mondlicht.


Snøhetta
Nach dem Aufstehen war alles schon wieder getaut, doch eine dünne Wolkenschicht bedeckte den Himmel. Es war toll, der einzige Mensch im Umkreis von zig Kilometern zu sein und so konnte ich mich völlig ungestört von allem und jedem im Bach waschen, Tee kochen und einen großen Teller Müsli verputzen. Was ich nicht brauchte, ließ ich im Zelt und begann mit wenigem Gepäck den Aufstieg auf den Gipfel, in der Hoffnung, die Wolken würden sich auflösen, bis ich oben war.

Das taten sie jedoch vorerst nicht und der Weg wurde, sobald ich in den Wolken war, schwierig, da die Steine von Wolken und Kälte von einer Eisschicht überzogen waren. Der Weg war hierbei wieder ein einziges Felsenmeer, von 1500 bis 2286m Höhe! Wirklich ermüdend nach einiger Zeit, obwohl ich solche Steinturnerei liebe, wünschte ich mir nach ein paar Stunden, zur Abwechslung mal wieder ein Stückchen unkonzentriert laufen zu können.












Doch die Wolkendecke war dünn und nur kurze Zeit später stieg ich aus der Suppe heraus und die Sonne schien auf mein Gesicht und das Schneefeld, welches nun vor mir lag.



















Nach ein paar Malen rutschen im festgefrorenen Schnee war ich auf dem Gipfel, wo sich sogar noch ein paar andere Wanderer fanden, die von der Südseite aufgestiegen waren, wo es auch eine Hütte und einen Parkplatz gab.
Vom Hauptgipfel konnte man aber über einen steinigen Grat relativ bequem zu zwei weiteren Gipfeln gehen, wo ich letztendlich allein war und in der warmen Mittagssonne pausierte, Tee trank und gespannt beobachtete, wie die sich langsam lichtende Wolkendecke einen immer größer werdenden Teil der Täler zur Sicht freigab. Was für ein Ausblick! Die Gegend war wirkich alpin inmitten der umliegenden eher flachen Steinwüste. Im Halbkreis der durch den Grat verbundenen Gipfel lag ein paar steile hundert Meter tiefer ein ansehnlicher Gletscher.

Nach einigem Tee beschloss ich, einen Stein zu enteisen, aber ohne Erfolg. Nicht mal am Auftreffpunkt drang ich bis zum blanken Fels durch. Frustriert gingen mir die Mittel aus. :)




Doch nun ging es wieder herunter, wollte ja noch etwas weiter kommen heute. Nachdem ich mein Zelt abgebaut und alles wieder im großen Rucksack verstaut hatte, durchquerte ich noch das Tal, an dessen Rand ich zeltete, um auf der gegenüberliegenden Seite wieder 100m aufzusteigen und mein Zelt dort auf einer Halbinsel an einem Hochsee aufzustellen. Fast 2h dauerte der Weg nochmal! Und optisch schien es, als ob man fast hinüberspucken könnte.


Da ich wirklich nassgeschwitzt war, beschloss ich, den See zu nutzen, um mich darin zu waschen, um dann zur Belohnung in den Schlafsack zu dürfen. Boah, war das arschkalt! Neben dem Eisbaden im heimischen Swimmingpool wohl das kälteste Gewässer, in dem ich bis jetzt war. Die Dauer von richtig schmerzhaften bis gefühllosen Füßen war tatsächlich sehr kurz. Schnell wieder raus und schon begann die reaktive Hyperaemie (die starke Durchblutung, nachdem man die Blutzufuhr zuvor unterbunden hatte...) und die Kälte war weg. Ein Blick auf mein Thermometer zeigte eine wirklich geringe Länge. (Früher ging ich davon aus, dass die absolute Länge [cm] der absoluten Temperatur [°C] entspreche, aber nachdem ich im 47°C warmen Death Valley war, musste ich diese Hypothese wieder fallen lassen. Im Schlafsack überlegte ich mir, wie die Funktion lauten könnte. Die Kurve war sigmoid und hatte ein absolutes Minimum und Maximum, so viel stand fest. Über dem Gedanken schlief ich ein.)

Homeward Bound
Am nächsten Morgen klingelte mein Wecker um 6 Hundert, was früh war. Und kalt. Aber ich wollte um 1600 den letzten Bus Richtung Heimat schaffen, und der fuhr in Gjøra im Sunndalen, nochmal gut 25km entfernt und 1200m tiefer als mein See. Nach dem Frühstück mit den Beinen im Schlafsack und dem Oberkörper unter allen Oberteilen, die ich mitgenommen hatte lief ich los. Die Sonne kam um 8 gerade erst knapp über den Berg und der Boden war gefroren. Obwohl ich mich wirklich zügig durch die schroffe Fels- und Gerölllandschaft vorarbeitete, brauchte ich für den mit 3h angegebenen Teilabschnitt 3h15min. In den Alpen brauche ich immer 3/4 der angegebenen Zeit! Und in den Alpen wäre der hier als "leicht" bezeichnete Weg mit "Alpiner Wanderweg. Nur für Geübte mit festem Schuhwerk und Trittsicherheit." klassifiziert gewesen. Die sind noch mal ein ganzes Stück härter, die Norweger. Aber ich übe ja schon...




Ich war aber zu scharf auf die mir abends winkende Dusche, sollte ich den Bus schaffen, sodass ich abgesehen von Trinkpausen an Bächen nur zwei mal 20min zum Essen pausierte und sonst ununterbrochen talwärts marschierte. Spätestens mit diesem Tag war mir ein ungemeiner Muskelkater in den Beinen sicher!

Es war eine wahre Freude für die Augen, als sich die karge Landschaft zu einem steilen Tal hin veränderte, in dem es zwei tosende Wasserfälle und auch wieder Bäume gab. Ich fühlte mich sehr an die Alpen erinnert, wobei die Bäume anders rochen, eher wie am Mittelmeer. Im fruchtbaren Tal war es warm und ich kam mir mit meiner langen Unterhose und Rollkragenpullover wirklich etwas deplaziert vor, zumal es hier auch wieder Menschen gab, die angemessener Weise kurzbehost waren. So erreichte ich ziemlich platt nach sich über lange Zeit ziehendem Abstieg die Straße am Bach im Tal! 15 Uhr und noch 3,5km, ich würde den Bus schaffen! Um 20 vor 4 erreichte ich die Haltestelle an der "Reichsstraße" in Gjøra. Und so ging es über Berge und durch Täler in 3 Stunden zurück nach Trondheim und eine schöne und anstrengende Tour neigte sich dem Ende zu.