Freitag, 13. April 2012

3 Jahre später

Meine Güte, wie soll das bloß werden? Die Dänen in meinem Reisebus nach Kopenhagen sind kaum zu verstehen, obwohl sie fast die gleiche Schriftsprache haben wie Norweger. Die Aussprache hingegen könnte man als Nicht-Däne nur zustanden bringen, indem man sich eine große Kartoffel in die Wange steckte und alle Konsonanten wie "L" ausspräche.

7,5 Stunden dauerte die Fahrt von Berlin nach Kopenhagen an diesem Ostersamstag, davon knapp 2 Stunden auf der Fähre Rostock-Gedser, die trotz für die Ostsee ansehnlichen Wellengangs bei straffem Nordwind ruhig über das Meer glitt. Mein Segelkumpel Max war an diesem Tag auf einer Segelyacht auf der Ostsee unterwegs und ich war durchaus etwas neidisch. Das Essen an Bord ließ bereits erkennen, dass wir uns Skandinavien näherten: Hot Dog oder Wurst, Fleisch oder Fisch mit Wahlweise Pommes oder Kartoffelbrei. Da griff ich doch lieber auf ein paar Scheiben der drei 500g-Brote in meinem Rucksack zurück. Ja, große Mengen an Essen waren nötig, denn ich hatte mich entschlossen, die Reise auf die Lofoten komplett auf dem Landweg zurückzulegen (die Fähre Rostock-Gedser mal ausgenommen) und würde über zwei Tage unterwegs sein. Das hatte den Vorteil, dass ich im Gegensatz zum Fliegen so viel Gepäck mitnehmen konnte wie meine Beine es zuließen. Und das war relativ viel, so durfte ich feststellen, als ich mich in Kopenhagen in einem Tempo, in dem mein von Gonarthrose geplagter 90-jähriger Opi mich spielend auf einem Bein hüpfend links überholt hätte, die unter meinem Gewicht ächzenden Holztreppen in den 4. Stock des Altbauhauses zu meinem Zimmer bei Bente Willumsgaard hinaufarbeitete.

Die Wohnung war riesig, aber ur-gemütlich, wahrscheinlich waren es mehrere miteinander verbundene Wohnungen und mir wurde an dem Abend nicht klar, wer dort eigentlich alles wohnte und wer auch Gast war: Es waren die auf ihre dänische Art unglaublich netten und freundlichen Bente und ihr Mann dort, trotz der späten Stunde mindestens 10 fröhlich hin- und herwetzende Kinder, ein weiterer sehr nett aussehender Däne sowie zwei Frauen, die relativ sicher ein lesbisches Pärchen waren. Das ganze wirkte wie eine sehr sympathische, offene, alternative Wohngemeinschaft. Mein Zimmer lag direkt neben einer nostalgischen Küche mit riesigem gusseisernen Gasherd und einer auf alten massiven Holzregalen stehenden wahrhaftigen Kollektion an zylinderförmigen großen Gläsern mit unzähligen verschiedenen Nudelsorten. Die Aufforderung des Gastgebers an die Kinder, mir zuliebe ruhiger zu sein, war überflüssig, denn ich fiel wie ein Stein ins Bett.

Um halb acht am Ostersonntag klingelte mein Wecker und nur die zwei lesbischen Frauen waren schon auf den Beinen und bereiteten sich dankbar mit dem Rest des von mir in einem alten verrußten Teekessel zum Kochen gebrachten Wassers einen Kaffee. Die Sonne schien durch die glasklare nach Winter riechende Luft, als ich durch die menschenleere Stadt zum Hovedbanegård lief, der trotz meiner wohl um die 45kg Gepäck nur 10min entfernt lag; Die Wohnung der Willumsgaards lag schön zentral, direkt am Südufer des St. Jørgens See.



Jetzt begann der lange Teil meiner Reise: mit dem Øresundtåg über die Öresundbrücke nach Malmö/Schweden, dann mit einem schwedischen Schnellzug nach Stockholm und von da mit dem Nachtzug nordwärts und quer durch Lappland und auf der Erzbahn über die Grenze nach Narvik in Norwegen. Kurz vor Nattavaara wachte ich auf, öffnete die Jalousie und musste blinzeln, als mich die endlosen schneebedeckten Weiten Lapplands in der strahlenden Morgensonne anlachten. Der Zug war wirklich toll, es gab am Wagenende eine Dusche, welche zu benutzen auf der kurvenreichen Strecke lustig war, da der Lokführer einen durchaus sportlichen Fahrstil an den Tag legte. Gegen Mittag wurde die Landschaft bergiger und auf der rechten Seite tat sich ein tiefes Tal auf, auf dessen Grund der Anfang des ersten Fjords auf dieser Reise zu sehen war! Langsam arbeitete sich der Zug sich mit kreischenden Rädern talwärts und um 13:19 Uhr erreichten wir pünktlich Narvik. Die Temperatur lag nicht weit über dem Gefrierpunkt, doch in der windstillen prallen Mittagssonne konnte ich es wie die Norweger um mich herum angenehm im T-Shirt aushalten, als ich auf den Lofotekspressen wartete, den Bus, der mich nach weiteren knapp 6 Stunden Fahrt über Brücken und Kurven um Berge und Fjorde herum direkt vor den Türen meines Krankenhauses auf dem verschneiten Fahrweg aussetzen würde. Dankbar inhalierte ich die frische Meeresluft und genoss die Stille der Abenddämmerung, in der das Knirschen meiner Wanderstiefel im Schnee das einzige Geräusch weit und breit war.


Kaum zu glauben, aber um 22 Uhr ist es immer noch hell! Und es werden jeden Tag 8min mehr, heute ist es also schon über eine halbe Stunde länger hell als noch am Montag und in 2-3 Wochen wird es gar nicht mehr dunkel werden.



Nicht besonders ereignisreich, aber dynamischer als Fotos: ein Video von der Fahrt:


In der Eisenbahn kurz hinter der schwedisch-norwegischen Grenze, 40min vor Narvik. Leider hat Blogspot ungefragt die Qualität des Videos massiv herabgesetzt, am besten nur im kleinen Fenster angucken.

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