Mittwoch, 18. April 2012

Mit Gerd und Geir in Gravdal

Og selvfølgelig med musen og elefanten. Das war Norwegisch.


Erster Tag im Nordlandssykehus Lofoten in Gravdal! Zwar war ich schon mal hier und das Krankenhaus ist nicht unbedingt überwältigend groß, eher im Gegenteil, aber dennoch musste ich kurz vor den Fahrstühlen stehen bleiben und überlegen, wo ich eigentlich hin musste. Verdammt, schon wurde ich von einer Patientin angesprochen! Immer wieder ist es eine blöde Situation, professionell aussehend im weißen Kittel irgendwo in einem neuen Krankenhaus zu stehen und dadurch von den Menschen ohne weißen Kittel sofort aus Auskunft angesehen und belagert zu werden wie der Eiswagen von einer Horde Kinder. Die üblichen Fragen reichen hierbei von "Wie komme ich denn am schnellsten zum Bahnhof?" über ein hektisch, häufig mit beiden Händen auf den Oberbauch gepresst vorgebrachtes "Wo ist das Klo?! Ich muss mich umgehend übergeben!" über ein "Sind Sie hier der Oberarzt?! Wir warten schon seit 15 MINUTEN!" bis hin zu "Mein Sohn hatte einen Kettensägenunfall und wurde in dieses Krankenhaus gefahren. Haben Sie ihn irgendwo gesehen? Oder seine linke Hand?" bis hin zu "Herr Dokter, würde es Ihnen was ausmachen, mal kurz einen Blick auf meinen Fußpilz zu werfen?".

In diesem Fall jedoch war die Frage der Patientin "Wie heißt du?". Mein Selbstbewusstsein stieg, ich wusste die Antwort! Eine einfache 50€-Frage (bzw. 375kr-Frage). Es ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass sich Norweger grundsätzlich duzen, unabhängig von Alter, sozialem Status usw. Eine nette Angewohnheit, wie ich finde, die auch Ausdruck einer ganzen Lebenseinstellung ist. Arroganz, Überheblichkeit und sich in den Mittelpunkt zu stellen wird hier nicht gutgeheißen und selbst wohlhabende Leute stellen ihren Reichtum selten mit extravaganten Autos oder Häusern zur Schau. Auch sind Geschäftsleute selten mit Anzug und Schlips anzutreffen, eher mit guter Outdoorkleidung, was zugegebenermaßen auch an Infrastruktur und klimatischen Bedingungen liegen kann. Bei allen norwegischen Inlandsflügen gibt es unabhängig von der Fluggesellschaft nur eine Klasse, ebenso bei der Eisenbahn. Oder um es mit den Worten einer korpulenten und chronisch miesgelaunten Berliner Mensa-Angestellten zu sagen, die mir einst mit der großen Kelle einen Klecks Kartoffelpüree aus 30cm Höhe in einer Manier auf den Teller sprotzte, als wolle sie ein lästiges Insekt abschütteln und von mir dann betont freundlich gefragt wurde, ob ich eventuell eine Klitzekleinigkeit mehr bekommen könnte: "Kriegen alle dit selbe hier!"

Aber zurück zur ca. 40-jährigen norwegischen Patientin auf dem Korridor vor den Fahrstühlen. Beim nächsten Satz verstand ich irgendwas von einem Krieg gegen Schweden. Mein Norwegisch musste mir mal wieder einen Strich durch die Rechnung machen, immerhin ruhte es 3 Jahre unbenutzt irgendwo tief in meinem Parietallappen. (Oder vielleicht auch im Plexus choroideus, Neurologie war noch nie meine Stärke...) Also frug ich noch einmal nach, und tatsächlich, die Dame erzählte mir, dass ihr Vater im Krieg gegen Schweden gekämpft habe. Aber ich sei ja sicher nach dem Krieg geboren, stellte sie fest. Ja, sagte ich, dass sei ich. Und ich hatte schon ganz vergessen, dass in diesem Krankenhaus die psychiatrischen Patienten auf den normalen internistischen Stationen liegen und man dadurch manchmal in abstruseste Konversationen verwickelt wird.
Ganz hundertprozentig sicher war ich mir dann aber auch nicht... Ein Blick ins Internet bestätigte meinen Verdacht, dass der letzte schwedisch-norwegische Krieg deutlich länger zurücklag als der Vater der Patientin alt gewesen sein konnte, selbst wenn es damals schon blaue Pillen gegeben hätte.

Viele der Ärzte von vor 3 Jahren waren leider nicht mehr hier, einige aber erkannte ich wieder! Bettina, die deutsche Oberärztin, Vera, die schwedische Kardiologin (die trotz ihrer Fachrichtung nicht "Pamil" mit Nachnamen heißt), Øyvind aus dem Vestland, inzwischen Assistenzarzt und nicht zuletzt Pfleger Inge und Schwester Gerd. Und der zottelige Dialysepfleger Geir, der jeden Freitag Waffeln bäckt! Damals qualmte es ein Mal so sehr, dass im gesamten Gebäude der Feueralarm losging. Oberarzt Jörg und ich stürmten in Richtung Dialyse, wo die Quelle des Alarms liegen sollte, öffneten die Tür und sahen durch den Qualm nur schemenhaft die 3 Patienten in ihren Betten
am anderen Ende des nicht allzu großen Raums, von denen einer kräftig hustete. In der Mitte des Raums jedoch stand Geir mit seinem Waffeleisen auf dem Arbeitstisch und pfiff fröhlich eine Melodei. Etwas sauer entrüstete Jörg sich, während er versuchte, mit den Händen den Qualm vor seinem Gesicht wegzuwedeln: "Geir, sowas kannst du nicht machen!" - "Aber heute ist Freitag", sagte Geir völlig verständnislos mit dem Gesichtsausdruck eines Kindes, dem man gerade erzählt hat, dass es zu Weihnachten keine Geschenke bekommt: "und Freitag ist Waffeltag."

Ja, Norweger haben zum Teil komische Namen. Hier eine Auswahl (erweiterbar):

Männernamen:
-Inge
-Geir
-Åsgeir
-Torgeir
-Torstein
-Thorbjörn
-Ingfred
-Svein
-Gudbrand

Frauennamen:
-Gerd
-Åshild
-Alfhild
-Yngvild
-Synnøve (ich hab da spontan immer Gelenkschmiere vor Augen)

Und das hier war mein Feierabendspaziergang auf den Hügel hinterm Krankenhaus und runter zum Fjord! Und wie war dein Feierabendspaziergang?



1 Kommentar:

  1. Torstein, du solltest Lesebühnenautor werden (ohne scheiß).

    Hilsen, Gerd-Anne

    AntwortenLöschen