Montag, 20. Oktober 2008

Bewachter Schlaf

Oh, oh, diesmal habe ich ganz besonders nicht geschafft, mich kurz zu fassen. Daher hier eine kursiv gedruckte Kurzfassung für den eiligen Leser. Die nicht eiligen Leser sollten den nächsten Absatz überspringen, weil ihr sonst das Ende schon kennt!


Abstract:
Vorletzten Freitag flog ich nach Bodø, um dort nach Narvik umzusteigen. Der letzte Flug war voll und ich musste auf dem Flughafen schlafen und Samstag früh weiterfliegen. Die Atmosphäre war sehr persönlich und nett. Vor der Sicherheitskontrolle trank ich 1,5l Wasser, im Flugzeug ließ ich einiges davon wieder. Der Flughafen Narviks ist noch kleiner als der Bodøs.




Nachdem mein Vater mich für 3 Tage besucht und wir eine eineinhalbtägige Autotour zu den Fjorden unternommen hatten (wieder nach Geiranger, wo ich schon mit Stephie war), fuhren wir des vorletzten Freitags gemeinsam zum Flughafen, wo sich unsere Wege trennten.

Er sollte zurück nach Berlin fliegen, ich nach Bodø, dort umsteigen und weiter nach Narvik. Der Flug nach Bodø mit der 737 von SAS war wunderbar, ich durfte schon wieder am Fenster sitzen und konnte sogar den Svartisen-Gletscher von oben sehen, während die Dämmerung begann.

In Bodø angekommen checkte ich für den Weiterflug mit Widerøe nach Narvik ein. Der sei voll, sagte der Mann. Aber vielleicht würden ja nicht alle Gebuchten erscheinen, wenn ich Glück hatte? Immerhin hatte ich noch 2 Stunden Zeit, die ich mit Spazieren gehen und Lesen totschlug. Der Flughafen von Bodø liegt direkt in der Stadt, auf der anderen Straßenseite des Terminals stehen Wohnhäuser und der Wegweiser für Fußgänger gibt die Entfernung zum Zentrum mit einem Kilometer an.



Es war so weit, ich begab mich durch die Sicherheitskontrolle und nahm im Warteraum Platz. Nach und nach wurden die Leute aufs Vorfeld und in das dort geduldig ausharrende kleine Propellerflugzeug nach Narvik gelassen. Die Schlange, an deren Ende ich mich postiert hatte, schrumpfte. Noch 8 Leute waren vor mir, nach Murpheys Gesetz würde direkt vor mir die Schranke geschlossen...

Doch Murpheys Gesetz traf nicht zu! Die Schranke wurde vier Leute vor mir geschlossen. Da wäre den Kollegen der SAS in Oslo, wo die vier Leute gerade hergekommen waren, wohl leider ein Fehler unterlaufen, erklärte der Mann vom Bodenpersonal ruhig, sie hätten das Widerøe-Flugzeug überbucht. Er würde gleich persönlich noch mal nachsehen, ob auch kein Platz mehr frei sei. Tja, alles voll, sagte er, sogar der eine Jumpseat (Klappsitz in Küche oder Cockpit) sei schon belegt, antwortete er auf meine Nachfrage. Das stimmte die Damen und Herren vor mir nicht unbedingt glücklich, denn die Armen mussten jetzt auf Widerøes Kosten mit dem Taxi ins Radisson-Hotel fahren, dort essen und auch noch übernachten, um am nächsten Morgen weiter zu fliegen. Unser schon eingechecktes Gepäck konnten wir am Band wieder abholen. Konnten die anderen, ich nicht, denn mein Rucksack war nicht da. "Die Dinge liefen gerade etwas hektisch.", erklärte die Dame am Schalter, "ihr Rucksack ist leider schon auf dem Weg nach Narvik. Sie können ihn dann morgen früh dort abholen." Normalerweise bekommt so ein Flugzeug ne Viertelstunde oder mehr Verspätung aufgebrummt, wenn Gepäck von Leuten drin ist, die nicht an Bord sind, weil dann alles wieder aus dem Gepäckraum herausgesucht werden muss, wegen Bomben, Nagelfeilen und anderen Gegenständen, die den Flugbetrieb und Menschenleben gefährden. Ungeachtet der Tatsache, dass es heutzutage durchaus "in" ist, sich bei solchen Gelegenheiten gleich selbst mit in der Luft in die Luft zu jagen. Doch heute flog der große blaue Rucksack, der extra ein fettes rotes "STAND BY"-Schild verpasst bekommen hatte, aus Versehen ganz allein nach Narvik. Netterweise hatte ich ihn diesmal nicht mit Bomben bestückt, wäre sonst ganz schön peinlich für die Leute von Widerøe geworden.

"Im Rucksack ist meine dicke Jacke und mein Schlafsack.", sagte ich, "wie soll ich denn ohne die die Nacht verbringen?" "Mit einem Schlafsack kann ich Ihnen nicht helfen.", sagte sie etwas verächtlich. Schade, ich hatte schon gehofft, sie kam ein weiteres Mal auf die tolle Idee mit dem Radisson-Hotel... "Aber Sie können hier im Flughafen schlafen.", fuhr sie fort, "der schließt zwar zwischen halb 1 und halb 5, am wenn sie mit dem Sicherheitsmann reden, sollte das kein Problem sein."



Ich bedankte mich, suchte eine Bank mit Steckdose und begann "A comprehensive view of sex-specific issues related to cardiovascular disease" auf dem Laptop zu lesen. Zumindest ungefähr 5 Minuten lang, dann beschloss ich, dass es momentan psychologisch wertvoller sein dürfte, die Simpsons zu sehen. Der Abfertigungsmann von Widerøe lief vorbei, er trug schon zivile Kleidung und hatte offenbar Feierabend. Als er mich sah, kam er zu mir und versicherte mir, dass er sicherheitshalber noch ein zweites Mal kontrolliert hatte, ob der Jumpseat wirklich schon belegt war und dass es ihm Leid tat, dass ich jetzt hier so lange warten müsse. Ob ich schon wüsste, ob das Flugzeug morgen früh leerer sei, fragte er. "Das soll genug Platz haben.", sagte ich. "Schön. Dann sehen wir uns morgen früh wieder.", verabschiedete er sich.



Der Flughafen Bodø ist klein und menschenleer, wenn nicht gerade ein Flugzeug startet oder landet. Der Sicherheitsmensch beäugte mich durchaus 1-2 Mal kritisch, wie ich so ganz alleine neben dem Kofferband saß und die Simpsons sah. Letztendlich sprach ich ihn an und erklärte meine Situation. "Ja natürlich, überhaupt kein Problem!", sagte er und zeigte auf ein paar Bänke, "Dort kannst du schlafen und da drüben an den Automaten kannst du Kleinigkeiten zu essen und trinken kaufen, wenn du Hunger oder Durst hast." Nach gründlicher Inspektion des kleinen Flughafengebäudes hielt ich es allerdings für bequemer, auf einer weichen Bank im schon abgedunkelten Restaurantbereich zu schlafen. So schlummerte ich schon ein bisschen, ab und zu geweckt von den Menschenmengen, die von den paar letzten ankommenden Maschinen ausgespuckt wurden. Gegen halb eins weckte mich dann ein anderer Sicherheitsbeamter: "Du kannst hier nicht bleiben. Der Flughafen wird jetzt geschlossen." Etwas ungläubig erklärte ich ihm, was der andere Sicherheitsbeamte mir gesagt hatte. Er war sehr nett und sprach mit Absicht langsam, damit ich ihn gut verstehen konnte. "Unten kannst du schlafen, sagte er, nur hier oben nicht. Geht dein Flug sehr früh morgen?" "Um 7:30 Uhr", sagte ich, "nach Narvik." "Wirst du selbst aufwachen oder soll ich dich dann wecken?", fragte er. Letzteres sei nicht nötig, sagte ich und fühlte mich sehr geborgen. Ich hatte noch nie einen so persönlichen Flughafen erlebt, an dem die Angestellten sich vor dem Nach-Hause-Gehen verabschieden und einen wecken wollen.



Um 6.45 ging mein Wecker auf. Der Flughafen war schon einigermaßen belebt und ich, der ich mich aus dem Schlaf langsam hinsetzte und meine Schuhe wieder anzog, wirkte nahezu etwas deplaziert. Ich checkte ein, einen Platz bekam ich nicht, es sei freie Platzwahl, so erfuhr ich. Nachdem ich in der Schlange schon fast bis zur Sicherheitskontrolle vorgerückt war, stellte ich fest, dass ich die 1,5l-Flasche, die ich vor der Nacht mit Wasser aufgefüllt hatte, natürlich nicht entleert hatte. Dieser Fehler passiert mir nahezu jedes Mal beim Fliegen, ich lerne es ums Verrecken nicht! Also wieder in den sauren Apfel beißen und ohne Frühstück 1,5l Wasser auf ex trinken. **RÜLPS** Pfui deibel! Buuäääaahh! Ist das eklig, ich könnt kotzen! (Entschuldigung für diese Ausdrucksweise, aber "Ich nahm 1,5l Wasser oral zu mir und verspürte anschließend mittelstarke Übelkeit." klingt nicht dramatisch genug.)

Ich saß allein im Warteraum, was mich etwas beunruhigte. Der Flug würde doch gehen? Ja, das tat er und ich war neben 2 allein reisenden Kindern der einzige Fluggast! Ob es mir etwas ausmachen würde, mich wegen der Trimmung nach ganz hinten zu setzen, fragte die alte Stewardess beim Einsteigen. Ich verneinte und setze mich nach hinten. Die Ansagen machte sie nicht über Lautsprecher, sondern privat! Erst war sie bei den Kindern, dann kam sie zu mir. "Wir fliegen ungefähr eine halbe Stunde. Bist du schon mal mit so einem Flugzeug geflogen? Also, guck mal, die Schwimmweste kannst du so anziehen. Und hiermit aufpusten ("blåse opp" auf Norwegisch, für die, die lustige Wörter lernen wollen). Und bitte schalte jetzt dein Handy aus, falls du eins dabei hast." Das kleine Propellerflugzeug hatte 39 Sitzplätze und schaukelte schon auf der Parkpostion im Wind. Die Stewardess war begeistert, dass ich Norwegisch konnte.

Als die Anschnallzeichen erloschen, war es höchste Zeit, die erste Portion der 1,5l Wasser zu lassen. Noch damit beschäftigt, gingen die Anschnallzeichen wieder an und die Stewardess begann mit ihrer extra langsamen Ansage, dass wir zu sinken beginnen und alle auf ihren Platz zurückkehren sollen. Als ich die Tür öffnete und aus dem Klo trat, legte sie das Mikrofon aus der Hand, grinste und bat mich, mich wieder anzuschnallen. Der Flugplatz Narvik war noch viel kleiner als der von Bodø, wir waren auch das einzige Flugzeug dort (siehe Bilder). Und was ich in Narvik gemacht habe, das erfahrt ihr nach der nächsten Maus.

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